von peter | Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
MP3, CD, Streaming? Wohin geht die Reise für den DJ?

MP3, CD, Streaming? Wohin geht die Reise für den DJ?  ·  Quelle: Shutterstock/Ivan Neru

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Nachdem Apple vor einiger Zeit schon angekündigt hatte, aufgrund geringer Gewinnmargen nächstes Jahr seine Musik-Verkäufe als Download einzustellen und soeben eine geleakte E-Mail zum Thema aufgetaucht ist, Best Buy im Januar die CD aus seinen Regalen verbannen wird und im letzten Herbst auch der DJ-Streaming Dienst Pulselocker die Segel strich, stellt sich die Frage: Was werden DJs zukünftig auflegen? MP3s (Wav, MP4 etc.), CDs, Streaming-Formate oder wohin geht die Reise?

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Der Silberling – eine Erfolgsstory

Jahrzehntelang heiliger Gral der Post-Vinyl-DJs, tausende Tracks im handlichen Koffer, jederzeit selbst zusammenbrennbar und vergleichsweise günstig in der Anschaffung: die Compact Disc. In Deutschland ist die CD noch knapp an der Spitze, doch erste US-Händler beginnen aufgrund eines landesweiten Gesamteinbruchs von rund 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr, das Medium aus den Verkaufsregalen zu verbannen respektive den Handel einzuschränken.

Laut Billboard-Magazins (Link am Ende des Artikels)  will Best Buy wegen der Umsatzrückgänge schon im Sommer 2018 keine CDs mehr anbieten. Konkurrent Target hingegen soll den Herstellern bereits eine Frist für ein Kommissionsmodell aufs Auge gedrückt haben, bei dem man nur noch für verkaufte Einheiten bezahlen möchte. Digitale Downloads und Streaming sind der Auslöser. Sie machen das Rennen, oder?

iTunes – eine Erfolgsstory

Als Apple Ende 2001 seinen ersten 5-GB-iPod und ein Jahr später dann ein bahnbrechendes 20-GB-Modell, ausgestattet mit berührungsempfindlichen Wheel und Kopfhörer-Remote vorstellte, hätte wohl niemand gedacht, dass der Hersteller, der in 2003 mit etwa 200.00 Titeln im iTunes Store gestartet ist, damit so eine Erfolgsgeschichte schreiben und einmal für viele Jahre Marktführer beim digitalen Musikverkauf sein wird, mit mehreren Millionen verkauften Musikstücken pro Tag.

Bereits im Jahr 2008 hatte die Musikindustrie die Lizenzgebühren im Apple Store um 66 Prozent erhöhen wollen, doch Apples Veto – man wolle schließlich Geld verdienen und stelle den iTunes Store ein, wenn es sich nicht lohnt – war wohl ein schlagkräftiges Argument. Das Konzept ging auf – nicht nur am Mac – und die Einnahmen sprudelten, nicht zuletzt beflügelt durch die Smartphone-Ära respektive iPhone. Doch Zeiten ändern sich.

Exakt 10 Jahre später nun scheint der Punkt erreicht zu sein, wo man sich, zumindest was den Verkauf digitaler Kopien angeht, umorientiert. Dabei hatte Apple nach drastischen Verkaufseinbrüchen ab 2012/2013 schon 2016 angekündigt, dass es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sei, wann man den „iTunes Store schließe“. Apple Music lautet das Zauberwort und man wolle den Download-Store dichtmachen, was später aber dementiert wurde. Nun ist laut metro.co.uk eine geleakte E-Mail aufgetaucht, die besagt, man würde ab 2018 bereits keine iTunes LPs  mehr annehmen und sie aus dem Store nehmen.

Streaming – eine Erfolgsstory

Betrachtet man Amazon, Spotify und Deezer, darf man das Streaming-Konzept für die Anbieter der Services, speziell der monatlichen Abos, durchaus auch als Erfolgstory werten. Die Mucke kann gegen Werbung kostenlos gehört werden, wer sie auf sein Smartphone oder den Rechner downloaden will, wird monatlich zur Kasse gebeten. Die Maschinerie läuft – das scheint auch Apple mehr und mehr anzulocken, selbst Künstler-Statistiken legt man offen. Zahlt man als Nutzer keine Abo-Gebühren mehr, bleibt außer einem Haufen Traffic, den man in der Zwischenzeit generiert hat, allerdings nichts.

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Quo Vadis, digital DJing?

Für den DJ sieht das Ganze noch ein wenig anders aus, denn Spotify, Deezer und Co verbieten in ihren AGB die kommerzielle Nutzung der Dienste. Der einzige Lichtblick am Firmament – Pulselocker – strich letztes Jahr die Segel, dabei hörte sich das Konzept gut an.

  • Öffentliche Aufführung erlaubt
  • Download der Dateien erlaubt
  • Moderate Preise
  • Kein W-Lan im Club oder Outdoor erforderlich

Namhafte Hersteller von DJ-Software wie Serato und Pioneer sprangen auf den Zug auf. Dann kam das jähe Aus. Übrigens auch für Spotify Streaming innerhalb von Virtual DJ – Schluss mit Streaming für DJs?

Der Untergang des… ja was eigentlich?

Okay, Pulselocker war einmal, die CD ist angezählt, der iTunes Store macht möglicherweise seine Kauf-Downloads dicht. Na und? Nicht wenige DJs elektronischer Musikrichtungen dürften eher selten Musik bei iTunes gekauft haben. Zum einen, weil es das Angebot gerade auch beim Start des iTunes Stores so Mainstream war, dass es die Tracks, die sie interessierten, ohnehin kaum gab. Weiterhin waren noch Vinyl-Stores in den Ballungszentren vertreten und Online MP3-Shops wie Beatport (die ja ebenfalls mal einen kurzen, nicht sonderlich erfolgreichen Ausflug in das Streaming -Lager wagten) und Juno oder Traxsource waren im Laufe der Zeit (und sind es immer noch) abseits der Chartmucke die bessere Anlaufstelle. Gerade letzte Woche hatte ich noch eine Diskussion mit einem Autoren-Kollegen geführt, der Bandcamp als das Maß seiner Dinge ansah.

Was den Mainstream angeht, galt die CD über Jahre als Datenträger der Wahl und ist auch heute noch ein Medium, dass auf der Welt genutzt wird, wenngleich vielerorts USB-Sticks die Silberlinge verdrängt haben, zumindest in angesagten Clubs, die die entsprechenden Laufwerke finanzieren können.

Für Chartsound gibt es außerdem genug Alternativen, Amazon beispielsweise und Google Music sind nur zwei davon und das Notebook mit Controller tut sein Übriges, gerade auch wenn man als Working- oder Wedding-DJ auflegt. Da braucht es kein Apple. Und was ist mit

Smartphone, Tablets, Streaming?

Laut RIAA Studie (Link am ende des Artikels) lag der Streaming-Anteil im ersten Halbjahr 2017 bei 62 %, Digitaldownloads bei 19 %, physische Datenträger nur noch bei 16 %. Der Umsatz mit den bezahlenden Streaming-Konsumenten hat sich innerhalb von 2 Jahren von 747 Millionen US Dollar auf 1712 Millionen US Dollar vervierfacht, der Umsatz von Tracks in diesem Zeitraum nahezu halbiert wobei der gesamte Absatz um gut 25 % gestiegen ist. Aber ist der hohe Streaming-Anteil für Club-DJs irgendwie relevant?

Im Club wird das schwer umzusetzen sein. Dass die Player seitens der Hersteller zukünftig flächendeckend mit integriertem Streaming kommen, ist schwer vorzustellen, zumal die Software von beispielsweise Pioneer oder Serato aktuell keinen Streaming-Anbieter mehr offeriert. Oder hat jemand klammheimlich Pulselocker aufgekauft, um „The next big Thing“ zu präsentieren?

Aber jetzt mal Hand aufs Herz. CDs und Sticks dürften uns noch einige Jahre begleiten, Tablets und Smartphones spielen im Profi-Lager eine untergeordnete Rolle, Vinyl ist nach wie vor präsent und DVS- sowie Controller-Systemen ist noch längst nicht die Luft ausgegangen und wird es so schnell auch nicht, wenn es keine Möglichkeit zur kommerziellen Nutzung und öffentlichen Aufführung von „gestreamtem“ Material gibt.

Statements

Quo Vadis, digital DJing? Ich habe einige Bonedo und Gearnews Kollegen gefragt, wie sie das sehen:

Mijk van Dijk (Techno-DJ und Producer):

Es scheint fast so, als würden DJs auch weiterhin als „Hüter des verlorenen Formats” agieren. Mit der Einführung der CD sollte eigentlich die Vinylschallplatte zu Grabe getragen werden und hat wahrscheinlich nur durch die DJ-Clubkultur überlebt. Mittlerweile pressen Majors wieder Re-Issues klassischer Scheiben aus den 70ern. Ähnliches könnte auch mit digitalen Formaten wie mp3 oder WAV passieren. Der Konsument wird in der Zukunft wahrscheinlich nur noch Streamen und sich von KI-kuratierten Playlists berieseln lassen, während sich einige wenige Musiknerds voller Nostalgie gerippte mp3s der coolsten Soundcloud-Edits vorspielen, zu einer Zeit, wo kaum jemand mehr wissen wird, was Soundcloud eigentlich mal war.

Streaming kommt auch bald in der DJ-Booth an, aber solange die Welt nicht komplett vernetzt von 6G-Netz versorgt wird, dürften physikalische Formate wie Vinyl und USB-Stick nicht wegzudenken sein.

Marcus (2pole, Broombeck):

Naja. Noch gibt es ja glücklicherweise Beatport und Co. Dort können wir DJs relevante Tracks als mp3 oder unkomprimiert WAV/AIFF kaufen. Aber ich denke auch, dass dieser Markt bald zusammenbrechen wird und dann muss definitiv etwas Neues her! Streaming wird sicherlich auch in den Clubs und auf Festivals bald ein Thema sein. Aber hierfür muss die Infrastruktur stimmen, die oft und gerade bei Festivals weit entfernt von Städten noch nicht angekommen ist. Und wenn alles nichts hilft, dann geht’s wieder „back to the roots“, ich packe meinen Vinyl Koffer und lege alte, aber trotzdem noch coole Platten auf!

Numinos (DJ- und Producer):

Ich denke, wir werden in der DJ-Technik eine Fortsetzung der bisherigen Trends sehen:

1.) Vinyl bleibt eine feste Größe – vielleicht sogar mit einem leichten Wachstum.

2.) Das Standard-Setup aus zwei Multiformat-Mediaplayern plus Mixer bleibt uns ebenfalls erhalten. Ob da Pioneer, Denon oder Numark die Nase vorne haben werden, entscheidet sich in der Cloud: wer als Erstes eine universelle Streaming-Integration liefern wird, gewinnt.

3.) Gleichzeitig wird die Diversität wird weiter wachsen: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass künftige DJ-Systeme die kommenden Möglichkeiten von Mobilgeräten (beispielsweise integrierte Beamer, AR und VR) nutzen und bei Bedarf einfach ein Controller-Layout auf den Tisch projizieren.

Dirk Duske (Autor des DJ-Lehrbuchs „Gut Aufgelegt“):

Und ab 2020 legen wir wieder alle analog mit Vinyl auf ;) So wird es kaum kommen! Aber ehrlich gesagt, ein DJ sollte sich nicht von Streaming-Diensten abhängig machen. Kündigt man das Abo, verschwinden alle Crates und Vorbereitungen mit den Tracks (Cues, Loops, Comments). Was den MP3-Kauf anbetrifft: es gibt zu Apple Alternativen.

Manou (Radiomoderatorin und DJ)

MP3’s kaufen fand ich persönlich schon immer strange. Lieber Vinyl oder CD, da hat man noch was in der Hand. Und ich glaube, wer digital auflegen möchte, wird das auch weiterhin tun, Apple hin oder her. Das Digitalisieren von Musik ist schließlich kein Thema. Ansonsten ist laut Marktanalyse  die CD nach wie vor das beliebteste Medium und der Absatz von Vinyl steigt weiter. Im ersten Halbjahr 2017 wurden laut Chip-Artikel in Deutschland z.B. insgesamt (CD und Vinyl) immerhin noch 52.3 % physische Datenträger verkauft. Das sieht doch nicht so schlecht aus. Es liegt also an uns, welches Medium wir unterstützen und kaufen.

Eure Meinung?

Wie steht ihr zu der Thematik? Lasst uns gern daran teilhaben, wie ihr über die aktuelle Situation denkt und wie eure Prognose aussieht.

Weiterführende Links

Billboard Artikel zu Best Buy 

RIAA Studie

Geschichte des iTunes Store bei Wikipedia

Apple Statement bei 9to5mac

E-Mail Leak iTunes LPs

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6 Antworten zu “Keine Track-Verkäufe mehr bei iTunes, na und? Quo vadis, digital DJing?”

    Atarikid sagt:
    0

    Gut, wenn man MP3’s nicht mehr kaufen kann, nur noch Streaming verfügbar sein sollte, macht es aus Produzenten-Sicht keinen Sinn mehr, überhaupt noch Musik „herzustellen“. Für die ganz Großen im Business haut das schon hin, aber viele Kleine werden die Segel streichen müssen. Ich hab schon mit der Verbreitung der MP3s aufgehört Acid und House zu produzieren, mit Vinyl ist unterm Strich wenigstens ein wenig hängen geblieben.

    Andreas sagt:
    0

    Ich meine das iTunes LP den Verkauf einstellt, das ist wohl ein Zusatz Angebot. Es können weiterhin Tracks gekauft werden.

    kolberg sagt:
    0

    Ich bin gespannt wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt. Wenn der Kunde nur 2-3 Musikstücke pro Quartal kauft, die einem echt gut gefallen , kommt ja nicht so viel Kohle rum. Abos spielen da deutlich mehr Geld ein. Das Album einzustellen, scheint mir da nicht sinnvoll

    Maegz sagt:
    0

    Also erstens: Wenn iTunes den Verkauf von Download-Musik einstellt, ist das nicht der Untergang. Musik muss verkauft werden, egal ob als Download oder Streaming. Sonst macht ja keiner mehr neue, weil sich schönes Equipement nicht von alleine finanziert. Als Alternative zu iTunes stehen andere Portale bereit (Amazon, Google).

    Als DJ würde ich mich nie auf die Cloud verlassen. Entweder hat man auf dem freien Acker kein Netz oder im Beton-Keller. Meine Songs kommen größtenteils von CDs, weil das für mich das robusteste Medium zum Auflegen ist. Kann ich beliebig rippen und nimmt auf Festplatte, Sticks oder Cards kaum Platz weg.

    Ich kaufe sogar wieder mehr CDs, weil ich teilweise für weniger Geld als der Album-Download sogar die Hardware mitkriege, die ich beliebig verleihen, neu rippen oder archivieren kann. Mag old school sein, funktioniert aber robust seit Jahren in alle Szenarien.

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