von Lasse Eilers | Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten
East Coast und West Coast Synthese für Anfänger einfach erklärt

East Coast und West Coast Synthese für Anfänger einfach erklärt  ·  Quelle: Buchla, Moog

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East Coast, West Coast – immer wieder hört man diese Begriffe, wenn es um Synthesizer und Synthese geht. Doch woher kommen sie, wofür stehen sie und sind sie heute überhaupt noch relevant? Wir gehen den unterschiedlichen Synthese-Philosophien der East Coast und West Coast auf den Grund.

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Woher kommen die Begriffe East-Coast- und West-Coast-Synthese?

Anfang der 1960er begannen zwei Ingenieure in den USA mit der Entwicklung der ersten Synthesizer. Beide brachten es durch ihre Erfindungen zu großer Bekanntheit. Noch heute gehören Bob Moog und Don Buchla zu den klangvollsten Namen der Synthesizergeschichte. Bob Moog arbeitete damals in New York an der Ostküste. Don Buchlas erste Entwicklungen entstanden hingegen am San Francisco Tape Music Center an der Westküste. Und damit hatten die beiden unterschiedlichen Ansätze ihre Namen. Mit der East-Coast- und West-Coast-Synthese verhält es sich also ein bisschen wie mit dem Hip Hop der frühen 90er. Die Begriffe stehen ganz einfach dafür, wo die Protagonisten der jeweiligen Seite ihre Wirkungsstätte hatten. Und obwohl Synthesizer beider Philosophien inzwischen auf der ganzen Welt hergestellt werden, haben sie sich bis heute gehalten.

Aufgrund des wiedererwachten Interesses an  Modularsystemen fallen die Begriffe East Coast und West Coast heute sogar wieder häufiger, als es z. B. in den 1990ern der Fall war. Vor allem die West-Coast-Synthese fristete lange ein Schattendasein. Außerhalb eines kleinen Kreises von Buchla-Fans war sie kaum präsent. Die meisten kommerziell erfolgreichen Synthesizer der 1970er bis heute kann man der East Coast zuschreiben. Man könnte also den Eindruck gewinnen, Bob Moogs Ansatz hätte „gewonnen“.

Im Zuge des Booms modularer Systeme, der das Experimentieren mit verschiedenen Formen der Klangsynthese zum Mainstream-Phänomen machte, ist jedoch auch die West Coast in den letzten Jahren wieder in den Fokus gerückt. Das geht so weit, dass einige Hersteller Synthesizer anbieten, die nach der Küste benannt sind, an der sie sich zu Hause fühlen:

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Was sind die Gemeinsamkeiten der East-Coast- und West-Coast-Synthese?

Sowohl Bob Moog als auch Don Buchla experimentierten mit elektronischen Schaltungen zur Klangsynthese. Beide taten dies in Form von modularen Systemen, deren einzelne Komponenten mit Patch-Kabeln verbunden wurden. Diese Modularität, die immer wieder neue Verschaltungen ermöglichte, war inspiriert von den aus vielen verschiedenen Komponenten zusammengewürfelten elektronischen Studios jener Zeit. Zu den Gemeinsamkeiten der Konzepte von Moog und Buchla gehörte, dass sie dieses Durcheinander durch feste Standards für die verwendeten Spannungen, Anschlüsse, Kabel und Modul-Bauformen ersetzten.

Die zweite wichtige Gemeinsamkeit war die Verwendung von Steuerspannungen zur Steuerung von Modulen durch andere. In beiden Systemen gab es Module, die Klänge erzeugten bzw. formten, und solche, die zur Steuerung und Modulation dienten. Auf den ersten Blick gibt es also durchaus einige wichtige Gemeinsamkeiten der East-Coast- und West-Coast-Synthese.

Moog: Die Anfänge der East-Coast-Synthese

Um sich den unterschiedlichen Ansätzen von Bob Moog und Don Buchla zu nähern, muss man sich die Umstände und Konstellationen vergegenwärtigen, unter denen beide ihre ersten Synthesizer entwickelten. Moog arbeitete zu jener Zeit mit dem Komponisten und Musikprofessor Herb Deutsch zusammen, während er selbst kein Musiker war. Deutsch hatte also einen nicht ganz unwesentlichen Anteil daran, zu definieren, wie ein Moog-Synthesizer durch einen Musiker bedient wurde und welche musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten er bot.

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Das führte unter anderem dazu, dass die Synthesizer von Moog bald eine traditionelle Tastatur mit schwarzen und weißen Tasten bekamen. So fremdartig ein Moog-System damals gewirkt haben muss, sah man doch sofort, dass es sich um ein Musikinstrument handelte. Technisch gesehen war die Tastatur lediglich ein weiterer Controller, der eine Steuerspannung lieferte. Aber sie trug dazu bei, die Synthesizer von Moog für Musiker zugänglich und intuitiv verständlich zu machen. Sicher hatte dieser Aspekt gerade in der Anfangszeit einen entscheidenden Anteil am durchschlagenden Erfolg der Moog-Synthesizer.

Buchla: Die Anfänge der West-Coast-Synthese

Buchla hingegen war selbst ein Musiker, der an neuen Konzepten und Ausdrucksformen interessiert war. Er arbeitete damals mit den Mitgliedern des San Francisco Tape Music Centers rund um den Komponisten Morton Subotnick zusammen. Der Gruppe ging es vor allem darum, neue Wege der elektronischen Komposition jenseits der Manipulation von Tonbändern zu erforschen. Von Anfang an verfolgte Buchla bei seinen Entwicklungen also das Ziel, die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Es galt, eben nicht die Steuerungen zu nutzen, die Musiker seit Generationen gewohnt waren. Statt einer Tastatur hatten die Buchla-Synthesizer beispielsweise berührungsempfindliche Felder zum Manipulieren von Steuerspannungen und Impulsen. Auch die Nutzung von Sequencern und zufälligen Spannungsgeneratoren wird oft der West-Coast-Philosophie zugeschrieben, wobei es Sequencer natürlich auch bei Moog gab.

Don Buchla in the 1960s

Don Buchla in den 1960ern

Trotz aller Unterschiede gibt es also durchaus viele Ideen, die sich in beiden Systemen finden. Dennoch zeigte sich schon früh ein Gegensatz, der sicherlich enorm dazu beigetragen hat, wie sich die beiden Synthesephilosophien in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickelten. Synthesizer von Moog waren in erster Linie Instrumente, die man als Musiker einschalten und – etwas technisches Hintergrundwissen vorausgesetzt – spielen konnte, ohne die eigene Denkweise komplett umzukrempeln. Bei Buchla hingegen ging es immer um die experimentelle Erweiterung des musikalischen Horizonts. Und daran waren schon damals nicht alle interessiert, die mit Musik ihr Geld verdienten. Unter kommerziellen Gesichtspunkten hatte Moog mit seiner vergleichsweise zugänglichen und leichter verständlichen Philosophie also eindeutig die Nase vorn.

Was ist East-Coast-Synthese?

Stark vereinfacht bezeichnet der Begriff East-Coast-Synthese den klassischen, subtraktiven Synthesizer, wie er sich aus den Modularsystemen von Moog entwickelte. Im Wesentlichen beruht das Prinzip auf Oszillatoren, die relativ obertonreiche Schwingungen wie Sägezahn oder Rechteck liefern, und Filtern, die aus diesen Schwingungen bestimmte Frequenzen entfernen. So entsteht das Frequenzspektrum und damit die Klangfarbe des fertigen Sounds. Neben den Oszillatoren kommt dem Filter in der East-Coast-Philosophie also eine enorme Bedeutung als klangformendes Element zu.

Moog System 55

Moog System 55

Obschon man die Moog-Modularsysteme beliebig patchen konnte, kristallisierte sich schon bald ein besonders gut funktionierendes Standard-Patch heraus, das zu einer Art Blaupause für subtraktive Synthesizer wurde. Zwei oder drei Oszillatoren werden zunächst in einem Mixer zusammengemischt und dann in ein Filter geleitet. Abschließend übernimmt ein VCA die Steuerung der Lautstärke. Sowohl das Filter als auch der VCA werden von Hüllkurvengeneratoren im Zeitverlauf gesteuert. Weitere Modulationsmöglichkeiten ergeben sich durch einen oder mehrere LFOs und ggf. einen Sequencer. Angefangen beim Minimoog, bei dem Bob Moog dieses Standard-Patch 1970 fest verdrahtet in einen erschwinglichen und kompakten Synthesizer packte, entstanden in den folgenden Jahrzehnten unzählige subtraktive (East-Coast-)Synthesizer diverser Hersteller, die alle relativ ähnlich aufgebaut sind. Trotz vieler Abweichungen im Detail folgt noch heute die Mehrzahl aller Synthesizer diesem Schema – vom monophonen Analogen bis hin zur samplebasierten Workstation.

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Was bedeutet West-Coast-Synthese?

Während bei Moog dem Filter eine entscheidende klangformende Rolle zukommt, verfolgte Buchla an der Westküste eher den Ansatz, die gewünschte Klangfarbe bereits auf der Oszillatorebene durch verschiedene Manipulationen der Schwingungsformen zu erzeugen. Bei West-Coast-Synthesizern im Buchla-Stil liefern die einzelnen Oszillatoren oftmals eher obertonarme Schwingungen wie Dreieck oder Sinus. Diese werden dann durch Frequenzmodulation und verschiedene Waveshaping-Techniken (z. B. Wavefolding) zu komplexen Timbres geformt. Zwar gab es auch bei Buchla Filter. Nur kam diesen eben nicht die zentrale Bedeutung zu, die sie bei Moog hatten. Entsprechend einfacher waren sie ausgeführt.

Buchla Music Easel (Reissue)

Buchla Music Easel (Reissue)

Im 1973 vorgestellten Music Easel – einem kompakten System, das gerne als „Minimoog der West Coast“ bezeichnet wird – war dann erstmals ein sogenannter komplexer Oszillator zu finden. Durch Modulation eines Oszillators durch einen anderen entstehen vielschichtige Timbres. Später erschien das Model 259 für die 200 Series. Dieser duale Oszillator mit integriertem Waveshaping wurde zum Vorbild für viele heutige Eurorack-Module. Heute gilt der komplexe Oszillator als einer der Grundbausteine der West-Coast-Synthese.

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Lowpass Gates und Funktionsgeneratoren

Mit der 200-Serie führte Buchla darüber hinaus ein weiteres Konzept ein, das als typisch für die West-Coast-Synthese gilt. Statt eines herkömmlichen VCAs kam ein Vactrol-basiertes Lowpass Gate zum Einsatz, das die Lautstärke und das Frequenzspektrum des Klangs gleichzeitig beeinflusst. Je lauter, desto heller und andersherum. Da dies den Eigenschaften vieler akustischer Instrumente entspricht (fast alle Instrumente klingen am brillantesten, wenn sie laut gespielt werden), gilt das Lowpass Gate als sehr organische und natürliche Art der Klangformung und Lautstärkeregelung.

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Auch bei den Hüllkurven zur Modulation verfolgte Buchla andere Ansätze als Moog. Während Moog die vierstufige ADSR-Hüllkurve entwarf, mit der sich das Verhalten vieler natürlicher Klänge hinreichend genau abbilden ließ, findet man in Buchla-Systemen sogenannte Funktionsgeneratoren aus mehreren vergleichsweise einfachen, dafür aber komplett spannungssteuerbaren Attack-Decay-Hüllkurven. Durch die umfassende CV-Steuerbarkeit, die sich als roter Faden durch die gesamte 200-Serie zieht, lassen sich diesen AD-Envelopes sehr viel komplexere Verläufe entlocken, als man zunächst vermuten würde. Macht man sich diese Möglichkeiten zunutze, ist man sogar deutlich flexibler als mit ADSR-Hüllkurven mit festem Verlauf wie bei Moog.

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Sequencer und zufällige Spannungen in der West-Coast-Synthese

Sequencer und Random Voltage Generators spielen bei Buchla ebenfalls eine wichtige Rolle. Und das nicht nur zum Triggern von Noten, sondern auch als vielschichtige (und natürlich ihrerseits spannungssteuerbare) Quelle mehr oder weniger definierter bzw. zufälliger Steuerspannungen. Vielleicht ist die Frage, inwieweit der Zufall zugelassen oder sogar herausgefordert wird, einer der entscheidenden Unterschiede der beiden Philosophien. Das Spannungsfeld zwischen „vorhersehbar“ und „nicht vorhersehbar“ ist einer der spannendsten Aspekte der West-Coast-Synthese.

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East-Coast- und West-Coast-Synthese heute

Es ist paradox: Zwar wird heute wieder öfter zwischen East-Coast- und West-Coast-Synthese unterschieden als noch vor einigen Jahren; zugleich erscheint dieses Schubladendenken aber überholter denn je. Denn in einem musikalischen Kontext sind letztlich nur zwei Dinge wichtig. Ein Synthesizer muss gut und interessant klingen und seinem Benutzer die Umsetzung der eigenen musikalischen Ideen ermöglichen. Und es ist wie immer: Wer zu puristisch denkt, schränkt sich selbst unnötig ein.

In einem modularen Kontext ist es natürlich ohnehin möglich, Module der West Coast und East Coast beliebig miteinander zu kombinieren. Aber auch in vielen in sich geschlossenen bzw. semi-modularen Hardware-Synthesizern finden sich heute Mischformen beider Konzepte. Viele moderne subtraktive Synthesizer bieten zusätzlich gewisse Waveshaping- und FM-Möglichkeiten. Und natürlich ist es nicht verboten, ein West-Coast-Patch durch ein cremiges East-Coast-Filter zu schicken – im Gegenteil! Hier ein paar Beispiele für Instrumente, die Elemente der West Coast und East Coast miteinander verbinden:

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Bildquellen:
  • Don Buchla in den 1960ern: Buchla
  • Moog System 55: Moog
  • Buchla Music Easel (Reissue): Buchla
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