von claudius | Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Corona Musikindustrie Gitarren Verkaeufe Haendler Marken

Rekorde trotz oder wegen "Corona"?  ·  Quelle: Tumisu / janjf93 Pixabay / Fender / Gibson

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Während Millionen Veranstalter und Locations um ihre Existenz bangen und von der Bundesregierung mangels guter Lobby aktuell finanziell benachteiligt werden (anders als die Autoindustrie mit einem Bruchteil der Jobs), geht es ausgerechnet einigen Instrumentenherstellern und damit auch den Händlern sehr gut – zumindest in den USA. Ein kurzer Blick mit Ausflug nach Deutschland.

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Corona verändert alle(s)

Ob wir es wollen oder nicht, die aktuelle Pandemie bestimmt unseren Alltag. Je nach Art der Lohnarbeit mehr oder weniger. Während quasi keine (großen) Veranstaltungen stattfinden, gibt es dennoch erfreuliche Nachrichten. Die Menschen entdecken ihre Solidarität wieder, versuchen in der großen Mehrheit, den Schaden an anderen so klein wie möglich zu halten.

Und wie sich jetzt herausstellt, tragen auch verschiedene Instrumentenhersteller sogar einen Vorteil davon, denn Menschen widmen sich wieder mehr der Gitarre. Sie ist also doch nicht so tot, wie ihr immer wieder nachgesagt wird (bzw. wurde).

Mehr Absatz, mehr Musiker:innen?

In der NYT wird getitelt: „Guitars are back, baby!“ – die Gitarre erlebt (zumindest in den USA) aktuell ein Revival. Das bestätigen mehrere Firmen, etwa Fender, Taylor, Gibson, Sweetwater und Guitar Center (Händler) und andere. Der Absatz steigt teils um mehr als 100 % bei manchen Marken. Auch Fender Play, die Lern-App, verzeichnet einen enormen Nutzerzuwachs – was sicherlich auch teils durch den kostenlosen 3-Monats-Zeitraum bedingt ist.

An den Aussagen von Fender lässt sich aber noch mehr festhalten: 20 % der Nutzenden ist unter 24 Jahre alt, 70 % unter 45. Und Frauen haben einen Anteil von 45 % statt zuvor 30. Das ist großartig und deutet eventuell auch auf ein strukturelles Problem der Industrie – aber das ist ein anderes Thema. Es bleibt festzuhalten: Menschen nehmen sich wieder Zeit, ein Instrument zu lernen. Und eben anscheinend auch, um sie zu kaufen. Generell läuft es bei Fender aktuell mehr als gut bei den Verkäufen.

US-Händler Sweetwater meinte dazu im Juli „It feels like every day is black Friday”. Bei Guitar Center werden manche Marken sogar um „dreistellige Prozente“ mehr verkauft. Auch Martin und Taylor bestätigen, dass der Absatz enorm gewachsen ist.

Gitarrenhalle Thomann

Händler freuen sich über gute Zahlen

Der Chef von Thomann meint dazu:

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Die Verkäufe von E- und Akustikgitarren waren über die letzten Monate sehr stabil. Voraussagen sind aber aktuell sehr schwierig. Und während in manchen Bereichen die Verkäufe gut liefen, gibt es in anderen große Unsicherheit. Wir hoffen auf einen positiveren Ausgang für alle.“

Vermutlich spielt Hans Thomann hier auf die PA- und DJ-Abteilungen an. Kein Wunder, denn wenn keine Veranstaltungen stattfinden, dann wird nichts verkauft. Laut NYT ist der Import in die USA merklich gesunken, was auch heißt: Deutsche Marken könnten ein Problem haben, da der US-Markt immer noch mit der größte ist. Vor allem dürfte es aber asiatische Marken treffen.

Und Gebrauchthändler wie eBay, Etsy (USA) oder Reverb haben sich aktuell noch gar nicht geäußert. Vermutlich ist auch da mehr los als sonst – auch meiner Erfahrung nach wird gebrauchtes Equipment aktuell mehr und schneller gehandelt.

Seiten, auf denen Tabs oder Lernhilfen zu finden sind, wie JustinGuitar oder GuitarTricks, verzeichnen laut NYT auch mehr User aktuell.

Alles in allem ist das doch recht erfreulich für die Beschäftigten der Musikalienindustrie, zumindest im Bereich Gitarre. Ich finde es auch klasse, dass die Randbereiche mehr Zuwachs bekommen, also Seiten und Apps zum Lernen. Menschen nehmen sich (oder haben plötzlich wieder) Zeit, ein Instrument zu lernen. Es ist nicht alles schlecht.

Aussicht

Das alles ist natürlich nur eine Momentaufnahme im Gitarrenbereich. Was die Zukunft bringt, kann niemand genau sagen. Ich hoffe, dass alle gesund bleiben und genug Geld bekommen.

Aber: Auch ich habe bemerkt, dass Menschen schneller auf (meine) Gebrauchtinserate anspringen – und bei Gearnews merken wir auch, dass mehr Leser im Gitarrenbereich aufschlagen.

Das trifft aber vor allem wohl eher auf die Hobbymusiker zu (was die meisten sicherlich hier sind). Bei den Profimusikern sieht das schon anders aus, etwa in England. Da könnte es ziemlich schnell ziemlich bescheiden enden, ganz unabhängig von der Führung und dem ewigen Brexit-Dilemma: Angeblich überlegen 64 % der Musiker, ihren Job (vorerst) sein zu lassen. Ich kann’s verstehen. Es ist einfach zu ungwiss, wann es danach „wie früher“ weitergeht.

Wie ist es bei dir? Hast du Veränderung bei dir und deinem Umfeld in der aktuellen Zeit bemerkt? Speziell im Shutdown oder danach? Spielst du mehr Gitarre oder hast dir gar welche gekauft, die normaler weise gar nicht bei dir eingeflogen wären?

Mehr Infos

Bildquellen:
  • Händler freuen sich über gute Zahlen: Wikipedia
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13 Antworten zu “Corona zerstört die komplette Musikindustrie – denkste!”

    Dave sagt:
    0

    Ich habe gestern im Laden erfahren, dass Justmusic seine Läden in Hamburg, München und Dortmund schließt. Berlin und der Onlinestore bleibt.

    Laut Presse soll der Onlinestore „Europäisch ausgebaut werden“
    (Quelle: https://www.gitarrebass.de/stories/justmusic-schliesst-filialen-in-hamburg-muenchen-und-dortmund/)

    Da musste ich erst einmal schlucken. Die Auswahl an Equipment in den verschiedenen Läden (hier in Hamburg) fand ich eh schon nicht groß.

    Jetzt geht es so langsam Richtung Service Wüste. Ein paar kleine Läden bleiben (die sind auch gut) haben aber natürlich ein kleines Sortiment.

    Demnächst also diverse Amps und Gitarren zeitgleich zum Testen nach Hause bestellen und dann zurückschicken – so ein Schwachsinn! Das ist nicht gut für die Instrumente und für die Umwelt auch nicht. Alleine dieser Verpackungswahnsinn.

      claudius sagt:
      0

      Ja, das haben wir auch mitbekommen. Schon krass – es hörte sich aber so an, als hätte sich das eh abgezeichnet und hat nichts mit der aktuellen Situation zu tun.

      Verpackung: Die Händler bekommen es auch verpackt und mit Umkarton. Ich bin mir unsicher, ob es so viel schlechter ist. Der zusätzliche Transport und der eventuelle neue Umkarton mit Händleraufschrift fallen natürlich ins Gewicht.

        Dave sagt:
        0

        Zu JustMusic: Jaein. Mehr will ich dazu nicht sagen.

        Zur Verpackung: Klar ist es schlechter.
        Ich gehe in einen Laden und teste z. B. 5 Amps. Macht 0 Verpackungen bzw nur die vom Hersteller zum Geschäft.

        Wenn ich jetzt online bestelle werden diese 5 Amps (in Ihrer Verpackung) meist noch mal verpackt. Die Amps gehen dann zu mir … und dann gehen die 4 bis 5 Amps wieder zurück zum Geschäft. Die Umverpackung kommt dann in den Müll.
        Der nächste der bestellt … wieder neue Umverpackung … usw. usw.

        Hast Du jemals etwas in einer „gebrauchten“ Umverpackung geschickt bekommen?

        Ich würde gerne mal die Papiermüll Halle von Thomann und Co sehen.

    WOK sagt:
    0

    Der Titel und die Aussage, es ginge den „Instrumentenherstellern und damit auch den Händlern sehr gut“, bloß weil ein paar Gitarren mehr verkauft wurden, ist nun wirklich Schwachsinn.

      claudius sagt:
      0

      Du hast Recht, klang sehr allgemein, ich habe es etwas konkreter formuliert.
      Dafür hättest du aber sicher nicht ableistisch werden müssen. ;)

    Kurt sagt:
    0

    So einfach wie beschrieben ist das alles doch nicht.

    Kaufverhalten ist weltweit bis ca. August davon bestimmt gewesen, dass die meisten Menschen dachten, die Lockdowns wären eine temporäre Massnahme. Jetzt stellt sich heraus, dass es das nicht ist. Und der Abbau von Arbeitsplätzen fängt jetzt erst an.

    Das bedeutet konkret: das Kaufverhalten war geprägt von der Annahme, dass Menschen bald wieder in ihre alten Jobs und in ihr altes Einkommen zurückkehren.

    Sobald eine große Zahl von Menschen realisieren, dass diese Annahme falsch ist, wird auch das Konsumverhalten korrigiert, v.a. bei Produkten die man nicht wirklich braucht.

      claudius sagt:
      0

      Welcher Lockdown ist denn nicht temporär (gewesen)?

        WOK sagt:
        0

        Schon mal darüber nachgedacht, dass hunderttausende Menschen in Deutschland praktisch bis heute ein Berufsverbot auferlegt bekommen haben?

          claudius sagt:
          0

          Jain, ich würde es aber im großen Ganzen betrachten, denn (falls du auf Künstler anspielst) ist der Besuch der Darbietung mit gesundheitlichem Risiko für weitaus mehr Menschen ausgestattet. Das Recht auf Unversehrtheit wiegt schwerer als eine Berufsfreiheit. Und die moderne Medizin ist an einer Lösung dran, dann kann der Kulturbetrieb vermutlich relativ normal weitergehen.

    maeckie5555 sagt:
    0

    Berlin: Der Gitarrenladen um die Ecke klagt, das seit Monaten kein Mensch mehr kommt. Ein Mitarbeiter wurde gekündigt, der Rest ist in Kurzarbeit.

    Vor diesem Jahr warn´s die großen Versandhäuser der Branche, die den kleinen Läden das Leben schwergemacht hat, das scheint sich durch die Krise jetzt nochmal enorm zu steigern.

    In Lebensmittel, Bekleidung, usw. ist das Verdrängen der kleinen schon seit 30 Jahren zu beobachten, heutzutage werden auch Karstadt, Otto, Neckermann, usw. von Amazon (dem übergreifendem Branchengiganten) verdrängt.

    2030: wie schauts dann wohl aus ? Die Entwicklung ist offensichtlich.

    Gingerhead sagt:
    0

    Ich kann mir schon vorstellen, dass viele (also diejenigen, die sich keine großen Sorgen um ihre Existenz machen mussten) während des Lockdowns Frust- oder Langeweilekäufe getätigt haben, wie man das halt so macht, wenn man nix zu tun hat und abends vorm Computer sitzt. Da ist der „buy“ Button schnell mal gedrückt.
    Gleichzeitig sind Berufsmusiker pleite gegangen.
    Am Ende wird der Lockdown einen gewaltigen Zuwachs an Hobbymusikern gebracht haben, während Berufsmusiker aufgeben mussten.
    Wird die Musik der Zukunft also bald ausschließlich Amateurbandniveau haben?
    Wer in Zukunft mal Bock auf ein Livekonzert hat, muss dann wohl ins örtliche Jugendzentrum gehen, um sich die örtliche Amateur-Coverband anzuhören, die die immer gleichen Hits der letzten 30 Jahre mal besser, mal schlechter zum Besten gibt
    Clubs, in denen Musiker auf internationalem Niveau spielen, sind ja ausgestorben. Braucht aber auch niemand mehr, es gibt ja auch keine professionellen Musiker mehr.
    Na ich freu mich schon auf die Zukunft, wird ne tolle neue Zeit ;)

    Super Beitrag, hier noch ein kleiner Tipp wie Du in 4 Wochen Gitarren lernen kannst. Siehe Online Kurs.

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