von Moogulator | Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten | Unsere Wertung: 4,5 / 5,0
Angecheckt Arturia SQ80 V

Angecheckt Arturia SQ80 V  ·  Quelle: GN

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Digital und dennoch auch ein bisschen analog. Das war der Ensoniq ESQ-1 und sein etwas wellenformreicherer Kollege SQ80 mit Diskettenlaufwerk zum Sound-Speichern. Er hatte eine polyphone Pressure-Tastatur. Der SQ80 stammt vom Commodore SID-Soundchip-Hersteller und ist der zweite echte Synthesizer mit damals weitreichenden Möglichkeiten. Ensoniq war innovativ. Jetzt zeigt uns Arturia mit dem SQ80 V die erste Alternative für alle Plattformen mit zu erwartender Dauerpflege (siehe unsere News).

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Was erwartete dich mit dem SQ80?

Der echte SQ80 hat einen 8-Spur Sequencer an Bord, der sogar ziemlich gut war für die damalige Zeit. Er lieferte 8 Stimmen, die verschieden klingen können, und hatte sogar eine Poly-Chain-Funktion, um mehr Stimmen zu bekommen. Sein ROM war mit 75 „8-Bit“-Wellenformen gefüllt, um einfach flexibler zu sein, als die damaligen Standards. Echter und komplexer.

Genau genommen ist er damit eine erste echte „Workstation“. Jedoch war er etwas „britzeliger“ und ein perfekter Partner für die aufkommende neue Musik wie „EBM“ oder die besonderen Flächen von Bands wie Skinny Puppy. Das klappt natürlich auch mit Techno und allem, was etwas spezieller klingen kann und darf. Damals habe ich auch ganze Songs damit machen können – das geht heute noch! Wie passt er in ein heutiges Set? Lohnt sich das, wenn es doch genug Synths mit 3 Oszillatoren gibt? Ja, und das erklärt sich im laufe des Textes…

Der SQ80 V Hauptscreen

Der SQ80 V Hauptscreen

Mehr Details SQ80

Es gab einige wenige Drum Sounds im ROM. Eher als Idee, um eben komplette Songs damit machen zu können. Es sind 75 Waves an der Zahl und hier deutlichst mehr durch 3 weitere Kategorien, aber nicht ultraviele Basis-Waves und Sounds des Klangalltags der achtziger Jahre. Sie umfassen alles, was man damals auch irgendwie „drin“ haben wollen. Glockiges, E-Bass, Piano, Digital/Formant/Chor-Sounds oder drei verschiedene „Rauschformen“ oder noch besser „Noises“. Auch Anblasgeräusche und die Standardwellenformen sind an Bord.

Gritty, bratzelig, wunderschön kaputt. Es gibt natürlich keine Pulsbreitenmodulation, aber dafür Transwaves. Die stammen eigentlich aus den Nachfolgern. Über sie gibt es dann DOCH etwas vergleichbares, denn die Transwaves sind eine Methode: durch eine Wellenform langsamer hindurchzufahren auf Sample-Mini-Loop-Ebene.

Drei Oszillatoren mit eigener Lautstärkesteuerung (DCA 1-3) warten auf Modulation von drei LFOs und vier aufwändige Hüllkurven. Die LFOs sind nicht sonderlich „schnell“ und das Filter ist ein Curtis-Filter ohne Selbstresonanz. Aber das alles hat Charme, denn die Schönheit dieses Filters passt sehr gut zu dem rauen Oszillatorenangebot.

LFO mit Noise Waveform

LFOs mit Noise Waveform

Zweck

Ensoniq hat die gleiche „Engine“ für den Mirage als Sampler angeboten. Das war sehr reizvoll und bezahlbar (3500 DM). Aber es war immer etwas LoFi, etwas speziell im Sound und genau das ist auch cool daran – aus heutiger Betrachtung zumindest. Es gibt heute ganz andere Synthesizer und auch Sampler, aber hier gab es genug Spezielles, um sie lieb zu haben.

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Ich habe damit etliche Alben aufgenommen und prüfe, ob meine Sounds in einem Software-Pendant diesen Charme „darstellen“ können. Er war eher schwer zu bekommen. Mit 2 Jahre „Suchzeit“ hat es auch geklappt und interessant ist er heute wieder. Aber er konnte mehr als der „Standard“-Synthesizer von damals, besonders bei der Modulation. Er ist in der Anmutung kein Korg M1, sondern eher ein Sonderteil mit dem Charme der Samples in alten Drum Machines. Kein Ersatz-Fairlight des „Kleinen Mannes“.

Was erwartet dich konkret mit dem SQ80 V?

Arturias SQ80 V hat keinen Sequencer, dafür aber 4 Effektblöcke und alle „Sonderwellenformen“ und Tricksegmente, die mit dem Original ESQ1 und SQ80 möglich waren. Außerdem können die Transwaves moduliert werden. AM und Sync funktionieren auch, jedoch gibt es den Trick aus dem Original nicht: andere Waves aus dem Synth extrahieren, als das, was mit diesen Funktionen sonst herauskommen soll und kann. Diese wirkten wie Bruchstücke aus den internen Samples und loopten sich entsprechend „seltsam“.

Effekte SQ80 V

Effekte SQ80 V

Die Hüllkurven sind auch als Multisegmenthüllkurven schaltbar. Die „Standardhüllkurve“ hat 6 Segmente und es ist auch anwählbar, welche der beiden Typen nutzbar sind – aber auch eine einfache Variante kann genutzt werden. Soweit so gut. Das Modulationsrouting ist statt des Page-Systems im Stile des Oberheim Xpander komplett als eigene Page angelegt. Dort klickt man einfach im Ziel und danach welche Quelle die Modulation übernehmen soll. Das klappt sehr gut und einfach. Es gibt übrigens 16 Stimmen pro Instanz.

Multisegmenthüllkurvenmodus

Multisegmenthüllkurvenmodus SQ80

Die Transwaves sind faktisch eine Liste der Normal-Waves sowie zusätzlichen Spezialwellenformen mit „Miniloop„-Fähigkeit, die ein wenig Wavetable Feeling haben, jedoch wie schon erwähnt eigentlich nur das Durchfahren und Stauchen der Waves ermöglicht. Sie bekommen einen eigenen Modulator mit je zwei Quellen und können PWM-artig für jedes Sample genutzt werden. Hier röchelt und bratzelt alles. Und die angenehm kaputten Sonderwellenformen kann man sich am besten als willkürlich „falsch geloopte“ Zufallssegmente aus dem Speicher vorstellen.

Hidden Waves aus dem SQ

Hidden Waves aus dem SQ

Sie sind super, um polternde oder raschelnde Quellen als zusätzliche Quelle zu den sauberen Grundwellen hinzuzumischen. Dadurch gibt es kantige und sehr interessante Soundscapes. Das kam der damaligen Musik sehr entgegen. Nach Depeche Mode und Metall-Schrottplatz-Sampling, war das nämlich genau so jetzt Mode. Jede anständige Pop-Band dengelte nun auf Metallstücken herum und fand alles supergut, oder nicht? Die Belgische EBM war etwas noisiger aber dennoch verdammt „konsumierbar“. Wer sowas mag, braucht den SQ80!

Ein Oszilator im SQ80 V Transwave Mod rechts

Ein Oszilator im SQ80 V Transwave Mod rechts

Altwerk-Import funktioniert!

Ich habe meine ersten alten Sounds aus dem uralten Sounddiver als SYX-File gespeichert und diese importiert. Das hat funktioniert. Die Bässe, die Flächen, die leicht „darken“ Ambient-Texturen – sie alle funktionieren und sofort will ich damit etwas machen und sie ändern. Es ist nun einmal sehr einfach und schnell. Speicher ist nicht mehr knapp.

Damals waren es je 40 Sounds pro Inhalt und mit der Diskette konnte man auch viele Sets schön speichern und schnell laden. Es ist genau die richtige Menge gewesen für die Floppy. Alternativ gab es eine Speicherkarte, aber mit sowas muss man sich hier natürlich nicht herumärgern. Es gibt genug Platz auf dem Rechner.

Die coolsten Sounds sind meist wilde Mischungen von seltsamen Wellenformen und einer dominanten tonalen Sägezahn- oder Rechteck-Welle. Es gluggert und brabbelt aus der Tiefe und ein paar kleine Effekte „beefen“ das sofort ins Jahr 2021 auf. Die zitternde Weichheit, aber auch eckige Unperfektheit, mit dem analogen Filter, klingt gut zusammen.

Leider sind heute polyphone Aftertouch-Tasten noch immer eher selten. Das war damals ein großes Ding für mehr Ausdruck. Die Software versteht aber eine Reihe von Controllern, darunter auch Poly-Pressure.

Sound, Nutzen und Erkenntnis

Das Teil hat Charakter. Selbst die abgedrehteren Sounds klingen durchaus so, wie ich sie in Erinnerung habe. Was schwerer ist, sind die exotischen Tricks. Dennoch sind die neuen Funktionen etwas, was die Software noch zusätzlich bieten kann. Multisegmenthüllkurven nimmt man gern und gerade mit diesem Synth ist mehr als „ADSR“ sehr sinnvoll und geboten.

Es gibt kaum etwas, wo man nicht einen Oszillator mittels DCA einblendet oder langsam ausblendet und noch viel mehr, wodurch der Klang insgesamt gewinnt. Ob das Detail nun genau passt, würde ich im Rahmen der üblichen Emulationsabweichungen bei „passt“ einordnen. Ich habe sehr lange die Ensoniq-Synths eingesetzt und die Software macht den Job. Da zählt die Kombination und die Bedienung geht superfix von der Hand.

Man bekommt Lust und „Bock“ mit diesen Sounds ganz neue Stücke zu machen. Sie sind inspirierend, weil sie ganz weit weg von dem sind, was es heute so gibt und das obwohl die rauen Wavetables heute an jeder Bushaltestelle zu haben und hören sind.

SQ80 Synth Ansicht

SQ80 Synth Ansicht

Ich habe noch gar nicht angefangen, die kleinen angenehmen Dinge in diesem Synth wirklich genau zu beschreiben. Aber sie sind alle willkommen. Wer den Synth gar nicht kennt, wird sich einfach freuen, wie es ist, und dass kein Softsynth wie jeder andere klingt, auch wenn es so aussehen könnte. Es würde ein Sound Workshop werden, wenn ich das weiter ausführte.

Also hier die Erkenntnis dazu: Die User von damals werden sich darüber freuen. Etwa 95% aller Sounds klingen so wie sie sein sollen. Was darüber hinaus geht, sind jene sehr sehr spezielle Tricks, die aber mit den zusätzlichen Waves und Funktionen hier sehr würdig angeboten werden. Das ist legitim und ok so, denn die „Fehler“ wirklich nachzubauen, dürfte schwer sein. Interessant wäre noch eine gezielte Loop-Funktion gewesen. Aber die Transwaves sind einfach zu bedienen und erweitern den Sound ohnehin über das Potential des klassischen SQ80 hinaus. So geht das!

Damals waren drei Oszillatoren total ungewöhnlich und total wahnsinnig. Aber nicht weil es so fett klingt, eher weil es mehr und vielfältiger klingen kann. Sync und AM bringen noch ein paar schöne Variationen. Und ja, Bässe klingen sehr schön ungeschliffen und roh. Sie sind nicht wirklich digital und nicht wirklich analog im Charakter und das ist gut so.

Arturia hat die Idee verstanden und sie gut umgesetzt. Ich bin Fan der digitalen Synths von Arturia und in diesem Falle ist der SQ80 V „digital„. Das analoge Filter ist auch gut, absolut gut genug. Man hätte durchaus Selbstresonanz hinzufügen können, weil es ginge – aber es ist ok, wie es ist.

Ich bereue den Verkauf des Originals von damals etwas, aber man kann auch nicht endlos viel behalten. Hier ist die Lösung und ich war froh, dass ich gerade dieses so oft genutzte Werkzeug meiner Achzigertage wieder einsetzen kann. Schade, dass ich nicht mehr alle Sounds habe, aber heute würde ich sowieso viel mehr und anders arbeiten. Die 199€ sind nicht ganz billig. Das ist eigentlich nur dann ok, wenn es super ist. Das hier ist super. Mir wäre es das wert.

Weitere Information über den SQ80 V von Arturia

Arturia hat alles auf der Website aufbereitet. Der Preis liegt mit 199 Euro eher hoch. Es ist wahrscheinlich, dass die nächste Umpackung als Vintage Collection diesen enthalten wird.

Wir haben ebenfalls viel zum Thema Arturia bereit.

Video

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Mehr Informationen

Bildquellen:
  • Der SQ80 V Hauptscreen: GN
  • LFO mit Noise Waveform: GN
  • Effekte SQ80 V: GN
  • Multisegmenthüllkurvenmodus SQ80: GN
  • Hidden Waves aus dem SQ: GN
  • Ein Oszilator im SQ80 V Transwave Mod rechts: GN
  • SQ80 Synth Ansicht: GN
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3 Antworten zu “Angecheckt: Arturia SQ80 V”

    felix sagt:
    0

    Also ich habe schon vor einigen Wochen ein Angebot von Arturia genutzt, um von der V-Collection 7 auf die neueste Version upzudaten und hab den SQ80 dazu bekommen…zum Sonderpreis. Noch nie war das so lohnenswert. Der SQ80 klingt einzigartig. Ab sofort mein Lieblingsintrument in der V-Collection.

    Mischerboy sagt:
    0

    Sehr guter und umfangreicher Artikel!
    Ich stimme auch den „95%“ zu.
    Der ESQ1 war damals eine zeitlang meine Haupt-Arbeitsmaschine mit dem Sequenzer, ich habe ihn immer noch. Es ist also leicht die Möglichkeiten und Sounds zu vergleichen.

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