von Marcus Schmahl | Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten
Peter Baumann: Interview mit der Legende der Berliner Schule und dem Ex-Tangerine Dream Mitglied

Peter Baumann: Interview mit der Legende der Berliner Schule und dem Ex-Tangerine Dream Mitglied  ·  Quelle: Peter Baumann / Bureau B

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Peter Baumann, ein ehemaliges Mitglied von Tangerine Dream, hat ein neues Solo-Album veröffentlicht. Wir sprachen mit ihm über sein Equipment, den kreativen Prozess und wie Synthesizer in die menschliche Evolution passen – ganz real.

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Peter Baumann: Von der Berliner Schule über Tangerine Dream zu Nightfall

Peter Baumann ist im Musikbereich eine lebende Legende. Man kennt ihn vielleicht am besten als Mitglied von Tangerine Dream während ihrer erfolgreichen Zeit bei Virgin, als er bei den Aufnahmen zu großen Alben wie „Phaedra“ und „Rubycon“ dabei war. Aber auch nachdem er die Band 1977 verließ, hörte er nicht auf, Musik zu produzieren. Er setzte natürlich seine Solokarriere fort und veröffentlichte vor Kurzem sein neuestes Album „Nightfall“. Es ist eine moderne Interpretation der klassischen Berliner Schule, ein berauschendes und befriedigendes Stück kosmischer Musik, das er hiermit ins 21. Jahrhundert transportieren möchte.

Peter Baumann
Peter Baumann · Quelle: Peter Baumann / Bureau B

Wir haben uns mit Peter Baumann getroffen, um über sein neues Album zu sprechen und, weil wir GEARNEWS sind, natürlich ebenso über sein Equipment: seine Synthesizer, Plugins und seinen Kompositions- sowie Produktionsprozess. Und da er Peter Baumann ist, natürlich auch über Philosophie und die menschliche Evolution.

Das neue Album Nightfall

GEARNEWS: Lass uns über dein neues Album „Nightfall“ sprechen. Was sind die wichtigsten Instrumente, die du für dein neues Album benutzt hast?

Peter Baumann: Hauptsächlich virtuelle Instrumente in Cubase, dann habe ich einen Moog Matriarch, einen Waldorf Vocoder (STVC) und einen Nord Wave eingesetzt.

GEARNEWS: Warum hast du dich für dieses spezielle Equipment entschieden?

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Peter Baumann: Ich hatte es einfach. Ich habe hier ein paar Keyboards herumliegen. Das ist mehr Instinkt als alles andere. Ich schnappe mir einfach eins und schaue, ob es gerade passt.

Das neue Album Nightfall von Peter Baumann
Das neue Album Nightfall von Peter Baumann · Quelle: Peter Baumann / Bureau B

GEARNEWS: Suchst du dir den Synthesizer nach dem Song aus, den du produzieren möchtest, oder entsteht der Song beim Jammen auf dem Equipment?

Peter Baumann: Beides. Es ist wie ein Hin und Her. Wenn man eine Weile mit einem bestimmten Instrument gearbeitet hat, bekommt man ein Gefühl dafür, was man an diesem Instrument am meisten mag. Das kann ein einfacher Klang sein, manchmal auch ein komplexer Sound oder ein Lead-Instrument. Ich probiere viel und sobald es passt, ist es toll. Wenn nicht, probiere ich ein anderes.

GEARNEWS: Gibt es eine bestimmte Art von Synthese, die du bevorzugst?

Peter Baumann: Oh, das ist eine schwierige Frage, weil ich sehr viel aus dem Bauch heraus erarbeite, aber es gibt bestimmte Instrumente, die meiner Meinung nach besser harmonieren oder besser zusammenpassen als andere. Wenn du zum Beispiel sehr komplexe Sounds hast, dann willst du normalerweise einen einfachen Sound, um sie aufzubrechen, und nicht noch einen komplexen oben drauf setzen.

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GEARNEWS: Du fügst also alles erst dann zusammen, während sich ein Sound/Song entwickelt?

Peter Baumann: Ja, das ist wirklich eine lustige Art zu arbeiten. Zumindest macht es mir Spaß und es funktioniert sehr gut, wenn man alleine arbeitet. In einer Band ist es schwieriger, hier gibt es Improvisation. Aber wenn ich alleine arbeite, habe ich meistens entweder eine Idee für eine Melodie oder für einen Rhythmus oder einen Bass, aber letztendlich ist für mich die Stimmung entscheidend. Es gibt einfach Instrumente, die meiner Meinung nach eine bestimmte Stimmung besser ausdrücken als andere.

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Peter Baumann: Improvisation und Tangerine Dream

GEARNEWS: Du bist bekannt dafür, mit Tangerine Dream live zu spielen und zu improvisieren. Improvisierst du immer noch, wenn du Musik machst?

Peter Baumann: Im Grunde ja. Ich fange mit etwas an und improvisiere dann darüber, manchmal behalte ich es bei, manchmal erweitere ich es oder wiederhole es, aber ja, ich mag es, wenn Musik organisch entsteht, anstatt sie in meinem Kopf zusammenzusetzen.

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GEARNEWS: Findest du, dass moderne Geräte besser für Improvisation geeignet sind als die, die du in den 1970er Jahren mit Tangerine Dream benutzt hast?

Peter Baumann: Der größte Unterschied ist, dass man heutzutage Sounds speichern kann, was Vor- und Nachteile hat. In den 1970ern hast du die Sounds wirklich in Echtzeit erzeugt und dadurch manchmal einzigartige Sounds gefunden, die du normalerweise nicht erhalten hättest, weil du immer auf das zurückgegriffen hast, was schon mal funktioniert hat, wie zum Beispiel vorprogrammierte Sounds. Das ist ein großer Unterschied.

Das Gleiche gilt für die Aufnahmen heute. Mit Cubase hat man im Prinzip unendlich viele Spuren und unendlich viele Editiermöglichkeiten, während man bei der Live-Improvisation nicht editieren konnte und im Prinzip nur drei Spuren hatte. Manchmal konnte man einen Sequenzer laufen lassen und darüber spielen, dann hatte man vielleicht vier oder fünf Spuren, aber das war es dann auch schon. Das war die Grenze des Live-Spiels. Aber heutzutage sind die Möglichkeiten unbegrenzt.

GEARNEWS: Was ist dein absolutes Lieblingsinstrument?

Peter Baumann: Ich würde sagen, der Minimoog. Er hat so einen Charakter und das Filter im Minimoog ist meiner Meinung nach unübertroffen. Ich meine, es gibt nichts, was so klingt wie ein Minimoog. Der Minimoog ist für mich wie ein Oldtimer. Damit kann man einfach nichts falsch machen.

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GEARNEWS: Mit welchem Equipment hast du in der klassischen Tangerine Dream-Phase hauptsächlich gespielt?

Peter Baumann: Ich hatte ein maßgeschneidertes großes (modulares) System von Projekt Elektronik, die Oszillatoren, Filter und all das übliche Zeug entwickelt haben. Aber ich habe einige einzigartige Sequenzerfunktionen hinzugefügt. Der klassische Moog-Sequenzer hatte zum Beispiel keine Quantisierung, sodass man ihn während des Spielens stimmen musste. Das ist wirklich schwierig, wenn eine Sequenz läuft, sie währenddessen zu stimmen. 

Also habe ich einen Vorläufer dessen, was man heute Quantisierung nennt, addiert, sodass ich für jede einzelne Sequenz und für jeden einzelnen Schritt in der Sequenz einen Oktav- und einen Halbtonschritt besaß. So konnte ich live einfach eine Oktave nach oben oder unten gehen, einen halben Ton oder einen ganzen Ton oder was auch immer nach oben oder unten. Das war wirklich ein großer Vorteil gegenüber dem ursprünglichen Moog-Sequenzer.

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Peter Baumann: Über Effekte

GEARNEWS: Wie wichtig waren Effekte für Tangerine Dream und was war dein Lieblingseffekt?

Peter Baumann: Für mich sind Effekte ein Teil des Instruments. Als wir „Phaedra“ im Studio aufgenommen haben, waren Effekte sehr wichtig. Damals haben wir viel mit Tape Delays und verschiedenen Plates gearbeitet, dazu kamen digitale Delays, Phaser und verschiedene Vibrato- und Verzerrungseffekte, aber letztendlich benutze ich sie wie ein Instrument.

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GEARNEWS: Und was ist mit Effekten? Benutzt du Plugins? Benutzt du sie ebenso wie ein Instrument?

Peter Baumann: Auf jeden Fall. Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr ein Effekt die Stimmung eines Sounds verändern kann. Ob du kurze oder lange Delays benutzt, ob du den Sound erst durch einen Hall und dann durch ein Delay oder ob du ihn durch einen Phaser schickst… Heutzutage gibt es Hunderte verschiedener Effekte, und ich probiere ständig neue aus. Manchmal will ich einen sehr distanzierten Sound, dann benutze ich ein langes Pre-Delay und etwas Hall. Das ist sehr wichtig für mich. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals ohne Effekte zu produzieren.

GEARNEWS: Kannst du uns ein paar Plugins nennen, die du auf deinem neuen Album benutzt hast?

Peter Baumann: Wenn ich sie einmal benutzt habe, kann ich mich kaum noch daran erinnern. Ich habe den (AudioThing) Fog Convolver, daran erinnere ich mich noch. Dann habe ich DB88, das ist ein Leslie-ähnlicher Effekt. Und Cubase hat schon eine ganze Reihe von Effekten eingebaut. Einige der Instrumente besitzen ebenso Effekte, wie zum Beispiel der Nord Wave, der ein Delay und einen Hall besitzt, einen ziemlich schlechten Hall. Aber manchmal will man genau das. Manchmal möchte man eben einen schlechten Hall!

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Peter Baumann: Zurück zur Berliner Schule

GEARNEWS: Du hast einmal gesagt, dass du instrumentale Musik magst, weil sie keine festgelegte Geschichte hat. Was gefällt dir an instrumentaler Synthesizermusik?

Peter Baumann: Bei klassischen Instrumenten, egal ob Gitarre, Schlagzeug oder sogar klassische Orchesterinstrumente, weiß man ziemlich genau, wie sie klingen. Eine Geige klingt einfach anders als eine Trompete. Und mit diesen klassischen Instrumenten verbindet man bestimmte Assoziationen. Elektronische Instrumente klingen ähnlich, man benutzt sie ähnlich für Leads, Pads und Bässe, aber sie sind nicht so leicht zu deuten. Man erkennt sie einfach als künstlich erzeugte Klänge. Es sind nicht wirklich Sounds, die man mit den Händen spielt.

GEARNEWS: Du magst es also, weil es eine neue Art von Sound ist oder weil es etwas ist, das der Hörer noch nie zuvor gehört hat?

Peter Baumann: Ja. Es ist viel weniger vorhersehbar und weckt viel weniger Assoziationen.

GEARNEWS: Auf dem neuen Album und allgemein in deinen gesammelten Werken haben viele deiner Songs einen gleichförmigen Verlauf. Ich denke, das ist Teil des Berliner-Schule-Stils. Aber was gefällt dir an dieser gleichmäßigen Progression?

Peter Baumann: Ich denke, es entspricht unserer Art, auf bestimmte Dinge im Leben zu reagieren. In Filmen wird normalerweise Spannung aufgebaut, ebenso in Gesprächen gibt es eine Spannung, dann Entspannung und wieder Spannung. Das kann extrem oder subtil sein. Aber es kommt meistens darauf an, wie kompakt man es gestalten möchte, wie intensiv und wie entspannt.

Peter Baumann: Die Philosophie des Synthesizers

GEARNEWS: Wie passen die Geräte und Instrumente zu deinen anderen Interessen wie Philosophie, Wissenschaft und Evolutionstheorie, also zu den Themen, mit denen du dich im Rahmen deiner Baumann Foundation beschäftigst? Gibt es eine Parallele zwischen Synthesizern und der menschlichen Evolution?

Peter Baumann: Ja, ich gebe dir ein Beispiel aus der Evolution. Es ist eine physikalische Tatsache, dass hohe Töne nicht so weit durch die Luft getragen werden wie tiefe Töne. Wenn du einen tiefen Ton hörst, ist er normalerweise viel weiter weg als ein hoher Ton, wie eine Fliege, die neben deinem Ohr summt, und du weißt, dass sie in der Nähe ist. Eine Fliege, die 20 Meter entfernt ist, hörst du nicht. Das ist ein Beispiel dafür, wie das mit der Evolution zusammenhängt.

Ein anderes Beispiel ist natürlich der Rhythmus, der Herzrhythmus, und das ist einfach ein Muster, wie wir mit dem Leben umgehen. Philosophisch gesehen ist für mich die Stimmung wichtiger als alles andere. Ich mag Geschichten nicht so sehr wie Stimmungen. Und normalerweise mag ich Stimmungen, die ein bisschen düster sind und ein paar Höhepunkte besitzen. Ich glaube, wir Menschen sind in einer dunklen Zeit aufgewachsen. Und es gab nur hier und da ein paar Lichtblicke. Heute besitzen wir künstliches Licht, aber das gab es nicht, als wir als menschliche Spezies starteten.

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*Das Original-Interview wurde von Adam Douglas für GEARNEWS.com geschrieben.

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