SoundThread bringt Aphex Twins Sounddesign-Geheimwaffe auf eure Rechner – kostenlos!
Gratis-Tool für experimentierfreudige Sounddesigner und Musiker
SoundThread ist ein neues, kostenloses Interface für das CDP (Composers Desktop Project), das seit Jahrzehnten unter experimentellen Sounddesignern als Geheimtipp gilt. Dieses Toolkit existiert bereits seit den 1980er-Jahren, wurde unter anderem von Aphex Twin ausgiebig eingesetzt und war stets für seine außergewöhnlichen Möglichkeiten bekannt. Doch ebenso legendär wie die Ergebnisse war die schwierige Bedienung über Kommandozeilen, die viele User abgeschreckt hat. Genau hier setzt SoundThread an: Anstelle kryptischer Befehle gibt es nun endlich eine modulare, grafische Oberfläche, die den Zugang erleichtert. Und das kostenlos!
Alles zu SoundThread mit dem Composers Desktop Project
Aphex Twins Lieblings-Toolkit: Jetzt mit SoundThread
Das Besondere an SoundThread (in Verbindung mit CDP) ist nicht nur, dass die Software kostenlos erhältlich ist, sondern auch, wie sie funktioniert. Anstatt klassische Plugins nach dem gewohnten Schema zu bedienen, arbeitet SoundThread wie ein visuelles Baukastensystem (ähnlich Reaktor oder Max/MSP). Verschiedene DSP-Prozesse werden als Module dargestellt, die per virtueller Kabel verbunden werden können. Dieser modulare Ansatz ist besonders für diejenigen spannend, die bereits mit Synthesizern oder Modularsystemen vertraut sind.
Betrachtet man Aphex Twin und sein Schaffen, so passt CDP wie die Faust aufs Auge. Richard D. James hat schon immer nach Wegen gesucht, Klänge radikal zu verfremden und dabei Strukturen zu erschaffen, die gleichzeitig verstörend und faszinierend wirken. Gerade die spektralen Transformationsprozesse und die granularen Tools von CDP haben eine große Rolle dabei gespielt, wenn er aus simplen Samples unvorhersehbare Klanggebilde formte. Viele seiner Stücke leben von plötzlichen Brüchen, schneidenden Texturen und kaum greifbaren Klangräumen, die wie akustische Collagen wirken.
Er hat sehr viel mit CDP experimentiert, um diese ungewöhnlichen Timbres zu erzeugen – vielleicht durch stark überdehnte Vocals, spektrale Morphings oder zerhackte Drum-Loops, deren Ursprung alltägliche Sounds waren. Gerade diese Arbeitsweise, aus etwas Alltäglichem etwas Unwirkliches zu schaffen, entspricht genau dem, was CDP mit SoundThread heute für uns alle als Freeware zugänglicher macht.
Warum das SoundThread „Add-on“ für CDP so wichtig ist
Das Composers Desktop Project (CDP) war schon immer ein extrem leistungsfähiges Paket für Sounddesign, blieb jedoch lange einer kleinen Nische vorbehalten. Die Arbeit mit Terminalbefehlen erfordert nicht nur Geduld, sondern auch ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse. Deshalb haben viele Musiker nie den Zugang gefunden, obwohl die klanglichen Ergebnisse oft einzigartig und beeindruckend sind. Mit SoundThread verändert sich diese Ausgangslage grundlegend, da die Bedienung jetzt über eine intuitive grafische Oberfläche erfolgt und der Zugang somit deutlich erleichtert wird.
Für die Sounddesign-Szene eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, alte Tools in einem zeitgemäßen Kontext wiederzuentdecken. Wer bisher vor den Hürden zurückgeschreckt ist, kann sich nun mit einem flexibleren und visuell ansprechenden System auseinandersetzen. Der Charakter von CDP bleibt natürlich erhalten: Viele Prozesse laufen weiterhin offline, es gibt keine direkte Echtzeitausgabe und manche Dinge wirken auf den ersten Blick noch sperrig. Aber genau das kann für manche Anwender wiederum cool wirken.
SoundThread ist (mehr als) ein visuelles Patch-System
SoundThread arbeitet nach dem klaren Prinzip von Input, Processing und Output. Zunächst wird ein Audiosignal geladen, das als Ausgangspunkt dient. Anschließend lassen sich verschiedene Module einfügen, die jeweils einen spezifischen Prozess darstellen, etwa Granularbearbeitung, spektrale Filter, Pitch-Shifting oder Transponierungen. Am Ende der Kette erzeugt ein Output-Modul eine neues Audiosignal, das gespeichert und in anderen Programmen weiterverwendet werden kann.
Besonders interessant ist die Möglichkeit, mehrere Threads nebeneinander zu erstellen, um verschiedene Bearbeitungen miteinander zu vergleichen oder parallel auszuführen. So können beispielsweise verschiedene Varianten eines Klangs entstehen, die anschließend kombiniert werden. Der modulare Aufbau lädt natürlich zum Experimentieren ein und macht die Vielseitigkeit der Prozesse innerhalb von CDP deutlich. Die Animation zum Basteln und Forschen ist schließlich auch die Hauptaufgabe der Software.
Granulare Prozesse und spektrale Transformationen
Ein Schwerpunkt von SoundThread liegt auf dem granularen Arbeiten, also der Zerstückelung und Neuzusammensetzung von Klängen, Sounds, Beats, Vocals und mehr in winzige Partikel. Hierzu werden Module wie „Grain Stretch” oder „Grain Cloud” eingesetzt, mit denen sich dichte Texturen und extreme Zeitdehnungen erzeugen lassen. Solche Bearbeitungen sind insbesondere für Ambient, Soundscapes oder experimentelle Elektronik spannend, da sie aus einfachen Ausgangssamples völlig neue Klangwelten formen können. Und genau das kennen wir aus den legendären Aphex Twin Tracks.
Ebenso die spektrale Ebene wird über sogenannte PVOC-Module (FFT-basierter Phase Vocoder) einbezogen. Diese Prozesse analysieren ein Signal in seine Frequenzbestandteile und erlauben Transformationen, die mit klassischen Effekten nicht vergleichbar sind. Morphings zwischen verschiedenen Sounds, extreme Filterungen oder neuartige Überlagerungen sind möglich. Zwar fehlt eine visuelle Darstellung der Spektren, doch das Ergebnis überrascht oft mit unerwarteten Details und musikalischen Zufällen. Klingt super spannend!
Einschränkungen und Möglichkeiten von SoundThread
So viel kreative Freiheit SoundThread auch bietet, so klar sind auch die Grenzen. Eine Echtzeitbearbeitung ist nicht möglich, da jede Verarbeitung erst einmal vor dem Hören gerendert werden muss. Das bedeutet, dass spontane Eingriffe während des Spielens nicht möglich sind, sondern erst nachträglich hörbar werden. Wer aus modernen DAWs eine unmittelbare Rückmeldung gewohnt ist, muss sich daran erst gewöhnen. Dennoch liegt gerade darin auch eine Stärke, da das Rendering bei komplexen Prozessen natürlich höchste Qualität erlaubt.
Ein weiterer Punkt ist, dass bisher nur ein Teil der CDP-Prozesse unterstützt wird. Viele Funktionen sind leider noch nicht integriert, was jedoch nicht bedeutet, dass sie nie verfügbar sein werden. Da es sich um ein Open-Source-Projekt handelt, besteht die Möglichkeit, dass die Community weitere Funktionen ergänzt. Für den Moment bedeutet das, dass man sich auf die vorhandenen Module konzentriert, die bereits einen sehr breiten Einsatzbereich abdecken. Wir sind schon auf die nächsten Updates gespannt.
Workshop: Erste Schritte mit SoundThread und so könnt ihr eure Sounds erzeugen
Um den Einstieg in SoundThread mit CDP zu erleichtern, lohnt es sich, einen einfachen Signalfluss Schritt für Schritt nachzuvollziehen. Ausgangspunkt ist immer eine WAV-Datei, die über das Input-Modul geladen wird. Dabei kann es sich um einen kurzen Akkord, ein Field Recording, Vocal-Aufnahme, ein Sample Loop oder eine Percussion-Aufnahme handeln. Sobald das Sample im System ist, könnt ihr sofort loslegen – die eigentliche Bearbeitung beginnt!
Im nächsten Schritt wird beispielsweise ein Grain-Stretch-Modul eingefügt und mit einem virtuellen Kabel mit dem Sample verbunden, das das Signal zeitlich auseinanderzieht. Über Parameter wie „Grain Size” und „Overlap” lässt sich die Textur formen, während ein Stretch-Faktor bestimmt, wie stark die Dehnung erfolgt. Die Ergebnisse klingen sehr schnell sphärisch cool, teilweise fast unirdisch, und eröffnen neue Perspektiven auf bekannte Klänge. Aphex Twin is in da house!
Noch mehr Sounddesign – ohne Ende
Nach dieser ersten Ebene der Bearbeitung könnt ihr ein PVOC-Filtermodul einfügen, mit dem sich der Klang spektral verändern lässt. Ein Highpass-Filter bei 2000 Hertz entfernt beispielsweise tiefe Anteile und legt den Fokus auf glitzernde Höhen. In Kombination mit einer hohen Resonanz entstehen fragile Texturen, die sich bestens für experimentelle Musik oder Filmmusik-mäßiges Sounddesign eignen.
Ein weiterer Schritt ist die Lautstärkesteuerung. Über ein Gain-Modul lässt sich nicht nur die Lautstärke einstellen, sondern ebenfalls eine Automation einzeichnen. So kann ein Klangverlauf über die Zeit dynamischer gestaltet werden, ohne dass zusätzliche Effekte nötig sind. Diese Automationen sind zwar einfach gehalten, reichen aber aus, um den Sound lebendiger wirken zu lassen. Ihr könnt so sogar einige coole Stutter-Effekte einbauen.
SoundThread als visuelle Spielwiese für Audio
Am Ende der Kette steht das Output-Modul, das die fertige Datei erzeugt. Diese könnt ihr direkt in eine DAW laden oder als eigenständiges Sample in eurer Bibliothek auf der Festplatte abspeichern. Durch die klare Struktur des Systems ist sofort und jederzeit nachvollziehbar, wie die Bearbeitung ablief. Das ist besonders bei komplexeren Projekten hilfreich. Ihr solltet definitiv testen parallele Signalpfade einzurichten, um Varianten eines Sounds zu testen oder Layerings aufzubauen. Das macht das System nochmals mehr spannend.
Wer tiefer einsteigen möchte, kann natürlich jederzeit weitere Module hinzufügen und mit Morphings, Transpositionen oder rückwärts gespielten Sounds arbeiten. Hier zeigt sich erst das volle Potenzial von SoundThread: Selbst einfache Ausgangssignale können nach wenigen Schritten so verfremdet werden, dass sie wie komplett neue Klangquellen wirken. Und das von subtil bis total experimentell.
Fazit: SoundThread ist ein Türöffner für noch mehr Sounddesign am Rechner
SoundThread ist definitiv mehr als nur ein grafisches Frontend für das Composers Desktop Project (CDP). Es ist der Türöffner für eine Szene, die sich bislang mit kryptischen Befehlen abmühen musste – und die Sounds von Aphex Twin nachahmen wollte. Durch die modulare Oberfläche wird der kreative Prozess greifbarer, intuitiver und näher an einer musikalischen Arbeitsweise. Zwar bleiben Einschränkungen, wie das fehlende Echtzeit-Feedback, bestehen, doch die kreative Freiheit und die Qualität der Ergebnisse wiegen das deutlich auf.
SoundThread ist ein spannendes Tool für alle, die sich für experimentelles Sounddesign interessieren, und bietet weit mehr als gewöhnliche Effekte. Es ist ein System, das sich sowohl für Ambient- und elektronische Musik als auch für Film, Soundart oder Installationen eignet – und darüber hinaus sicherlich für alle anderen Musikgenres, die von solchen Sounds profitieren. Da es kostenlos verfügbar ist, gibt es eigentlich keinen Grund, es nicht auszuprobieren – außer vielleicht die Angst, sich in den Möglichkeiten zu verlieren.
Übrigens: SoundThread läuft übrigens auf macOS, Windows und Linux.
Weitere Informationen
- Website & Download von JP Higgins
- Mehr zum Composers Desktop Project (CDP)
- Weitere Infos zu Aphex Twin
