von claudius | Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Kolume es muss nicht immer teuer sein 1540 850

Muss es wirklich immer das Beste und Teuerste sein?  ·  Quelle: gearnews

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Am Anfang seiner Karriere als Mixing Engineer oder Gitarrist (stellvertretend für den Musiker) braucht man neben Zeit um Erfahrungen sammeln auch noch mehr: Hilfestellung bei der Wahl des Equipments. Verlässt man sich auf den Verkäufer im Laden vor Ort, wird einem gern ein Ladenhüter aufgeschwatzt (zumindest ging es mir damals so) oder es wird gern in eine Preisregion oberhalb der mitgebrachten Summe als Mindestbetrag „beraten“. Das muss nicht sein – und das beweisen zwei Profis aus der jeweiligen Branche.

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Kennt jemand Gronkh?

Für alle, die ihn nicht kennen: Es ist ein Youtuber, der Lets Plays (kommentiertes Gameplay von Videospielen) aufnimmt. Damit ist er mit mittlerweile über 4 Millionen Abonnenten seit längerem der größte (bzw. aktuell zweitgrößte) Youtube-Kanal in Deutschland. Nun denkt man – zumindest ging es mir so – dass der Herr Range (alias Gronkh) ein richtig dickes Setup in seinem Studio stehen hat, in denen er seine Voice Over aufnimmt. Ich hatte zumindest die letzten Jahre keinen echten Grund, mich bei seinen Videos wegen der Audioqualität zu beschweren.

Schaut man aber in seine Hardware-Liste auf Pastebin, dann ist zwar sein PC über 10000 Euro wert, sein gesamtes Audioequipment kommt nicht einmal auf 1000 Euro. Das besteht aus einem Berhinger Xenyx Mischpult (ja, eines von denen, die gern als Chinaböller und Rauscherzeuger in Foren behandelt werden) und als Mikro das Rode Procaster (XLR-Version des Podcaster ohne interne AD/DA-Wandlung). Das sind zusammen ein bisschen mehr als 550 Euro. Das ist im Vergleich zu dem, was in Foren für Stimmaufnahmen (aller Arten) empfohlen wird, eigentlich sehr wenig, denn oft kostet das Mikro schon allein so viel. Es gibt zwar hier und da auch günstigere Beratung, dann aber in der Regel mit dem Kommentar „reicht für den Anfang“. Gronkh fängt also schon etwas länger an. Schaut mal auf seinem Youtube-Kanal vorbei, wenn euch die Audioqualität eines Behringer-Pults mit einem Rode „Preiswert-Mic“ interessiert.

Ganz abgesehen davon: Wenn ihr euch mal mit einem „alten Hasen“ unterhaltet und (wie sollte es anders sein) auf 19“ Gespräche kommt, dann fragt doch mal, mit was die angefangen haben. Ich wette, fast alle werden sagen, dass es im Vergleich zu heutigem Budget-Equipment der letzte Schrott war. Es hat seine Gründe, warum aus der Vergangenheit immer nur vereinzelte Preamps, Effekte oder Mikrofone überlebt haben und auch heute noch wertgeschätzt werden.

Ihr seht: Man kann auch mit wenig verdammt viel erreichen.

Auf der anderen Seite gibt es die Gitarristen.

Je nach Musikrichtung wird hier für den willigen Anfänger in einschlägigen Kreisen (wieder einmal) „für den Anfang“ Equipment (Sagen wir mal Gitarre + Übungsamp + Zubehör) im gar nicht einmal so niedrigen Segment empfohlen. Ich selbst bin zwar keiner der alten Hasen, habe aber auch auf einem Ibanez Starterset für knapp 200 Euro angefangen. Da war alles dabei und es hat gereicht. Meine Ansprüche damals waren: Gitarre lernen und Ton aus Amp bekommen. Nicht: Wie Slash auf einer Gibson Les Paul in Amber Burst klingen. Es wurde natürlich mit der Zeit immer mehr und besser – aber hätte ich von Anfang an eine Super Duper Custom Shop Gitarre gespielt, hätte ich vermutlich nicht den gleichen Blick auf hochwertiges Equipment wie aktuell.

Mein einschneidendstes Erlebnis war ein Konzert von Brant Bjork. Den kennt man vermutlich nur in bestimmten Kreisen als Solokünstler, er hat davor aber auch bei den in Stonerkreisen legendären Bands wie Kyuss und Fu Manchu getrommelt. Kyuss war übrigens eine der ersten Stationen von Josh Homme, dem Frontmann von Queens of the Stoneage. Das Konzert war ungefähr 2009/2010 und ich schaute nicht schlecht, als Brant mit einer Squier Classic Vibe Strat mit fehlender (hoher) E-Saite auf die Bühne kam. Grund: „Sie klingt wie eine Strat und spielt sich so, warum sollte ich etwas Teureres kaufen?“. Natürlich waren auch seine Gibson Paulas im Hintergrund für andere Songs, aber ich fand es sehr beachtlich, dass ein gestandener Musiker auf derart preiswertes Gear setzt. Damals lag der Neupreis der Squier CV Strat bei ca. 320 Euro, wenn ich mich korrekt erinnere. Ein Profi auf Welttournee spielt Squier – Deal with it!

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Auch Herr Jack White spielt eine 99 USD Kaufhausgitarre (Montgomery Ward Valco Airline) und eine ihm geschenkte „kaputte“ Kay. Der Herr Landers von Rammstein spielte auf der Völkerball Live-DVD eine ca. 400 Euro Ibanez AXS32. Wenn Profis mit derart preiswerten Gitarren Millionen Platten verkaufen und Stadien füllen, warum muss ein Anfänger dann mit hochpreisigerem Equipment einsteigen? Muss ein Fortgeschrittener- oder Profimusiker zwangsläufig Modelle im höheren vierstelligen Eurobereich spielen?

Klar macht es Spaß, mit hochwertigen Gitarren wie einer Custom Shop Gibson oder Fender zu spielen. Es muss nicht für den Podcast aus dem Schlafzimmer ein Neumann Mikro und ein SSL Mischpult sein. Man muss nicht immer nur in den Königshäusern nach potenziellen Partnern suchen, auch andere Hersteller haben schöne Töchter. Die sind preiswerter und vermutlich genau so gut verarbeitet. Natürlich poliert der Name Yamaha oder Squier auf dem Headstock nicht so sehr das eigene Ego wie Gibson oder Fender – aber dem Ziel „Musik“ tut das eigentlich keinen Abbruch. Probiert’s mal aus! Ich kann mich auch seit Jahren schon nicht von meiner Squier CV Tele mit Rockinger-Hals trennen, eine besser klingende Tele hatte ich noch nie in der Hand.

Und beim nächsten Mal freue ich mich, wenn in einem Thread rund um die Anfängerberatung nicht die Fender Mexiko Strat plus Semi-Premium-Röhre oder ein Neumann TLM102 plus Apogee Duet für den blutigen Beginner empfohlen werden, sondern etwas Realistischeres. Wenn es Gronkh und Jack White schaffen, dann ihr doch sicherlich auch, oder? Man lernt ja auch nicht in einem Porsche oder Ferrari das Autofahren. Oder nur sehr, sehr selten.

Hier ist übrigens auch ein schönes Video von Rob Chapman (dem Erschaffer von Chapman Guitars). Hier wird getestet, ob teure Gitarre und preiswerter Amp oder preiswerte Gitarre und teurer Amp besser klingen. Ich finde es interessant, aber nicht verwunderlich, wie nah das „auf Band“ klanglich beieinander liegt. Und wer kein Bock auf Youtube-Kompression des Audiosignals hat, der kann einfach in den nächsten Laden gehen und selbst testen. Ist vermutlich eh das Beste, weil neben dem Klang gibt es noch andere Aspekte.

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4 Antworten zu “Es muss nicht immer teuer sein!”

    Der Dschona sagt:
    0

    meiner meinung nach spielt das recording equipment eine eher untergeordnete rolle, sind vielleicht ein paar prozent, die für das resultat wichtig sind. viel wichtiger ist das, was vor dem mikrofon passiert, oder wie das instrument gespielt wird, spricht die performance des musikers… meistens unterscheidet sich dadurch eben das professionelle ergebnis vom unprofessionellen.

    Heiner Jürs sagt:
    0

    Sehe ich ähnlich. Ich glaube, es geistert sehr viel Technik-Fetischismus durch die Musikwelt. Sätze wie „das geht ohne Neve Kanalzug nicht“ sind einfach falsch! Es geht immer irgendwas. Und im Zweifel mal was unkonventionelles. Und wenn doch nichts geht, liegt das nicht an fehlender Technik …

    Tommy Bassalot sagt:
    0

    Sehe ich nicht ganz so. Schließlich sagt man auch: Wenn man billig kauft, kauft man zweimal. Dabei geht es z.B. auch um den Hersteller mit dem großen B. Mischpulte z.B. rauschen da mal sehr gerne und Fader, Potis etc sind teilweise geklebt und nicht ans Gehäuse geschraubt. Das ganze geht dann auf die Haltbarkeit. Wenn man jetzt ein A&H, Mackie etc kauft kann man normalerweise davon ausgehen dass man damit mindestens 5-10 Jahre Spaß/Nutzen daran hat…

    Claus sagt:
    0

    Ich hab eine Fender Blacktop Jaguar, ca 500€, und eine Squier Jaguar, ca 300€, großartige Gitarren!
    Auch meine ca 20 Jahre alte Epiphone SG hat gute Dienste geleistet! Billig ist nicht unbedingt schlechter bze teuer nicht unbedingt besser!

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