von claudius | Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Musikmesse - Kolume Hauptbild

 ·  Quelle: claudius grieger

ESP Anfassen unerwünscht

Bei ESP/LTD war testen dank Vitrine und Absperrband schwer  ·  Quelle: Jannik / Claudius

Aclam Guitars

Bei Aclam Guitars gab's Amps und interessante Gitarren, die es auch schon seit Jahren gibt  ·  Quelle: claudius grieger

Tieftoener Bass

Tieftöner Bass mit interessanntem Design  ·  Quelle: Jannik Golek

Musikmesse 2016 Tag 1 Mittag Crowd

 ·  Quelle: claudius

Chris von Jupiter FX

Auch kleine Boutique-Hersteller wie Chris von Jupiter FX traf man unter den Besuchern – hier am Ficken Schnaps Stand  ·  Quelle: claudius grieger

Moussaka Musikmesse

12,50 € für lauwarmes Moussaka ... Dinge die ich nicht vermisse  ·  Quelle: claudius

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Zumindest in meinem Kopf steht die Institution Musikmesse für Neuheiten rund um alle Arten von Musikinstrumenten. Über die letzten Jahre ist die Messe leider immer weiter geschrumpft. Dieses Jahr war sie kleiner denn je. Meine Erfahrungen und ein paar Gedanken …

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Ernüchterum vor dem Start

Ich bin ja ein bisschen frech und stöbere immer schon am Tag des Aufbaus in den Hallen herum. Zuerst dachte ich nach einer Stunde in den geschrumpften Hallen der Musikmesse, dass da über Nacht bestimmt noch ein paar hochgeheime Neuheiten hinzukommen würden. Oder dass ich vielleicht eine Halle übersehen hätte. Am nächsten Tag dann die Ernüchterung – nach einer Nacht in einem Hotel, das außerhalb der Messezeit weniger als die Hälfte kostet: Ich hatte nichts übersehen. Meine Lieblingshalle für Gitarren und Bässe ist tatsächlich auf eine halbe Größe geschrumpft. Die andere Hälfte gehörte den Drums. Dementsprechend ruhig war es, ich habe mich auf jeden Fall unwohl gefühlt.

Aber im Nachhinein ging es den Ausstellern und Besuchern dieser Halle noch ganz gut. Verglichen mit der Klavierhalle und der für Studio- und DJ-Equipment war es fast schon eine Ruhezone. Klavier war wohl am schlimmsten, das haben mir auch viele andere Besucher bestätigt. Man musste sich selbst direkt nebeneinander stehend laut ansprechen, weiter als zwei Meter konnte man ohne Megafon gar nicht mehr kommunizieren. Ich hielt es trotz wohlweislich eingepacktem Gehörschutz nie länger als 30 Minuten in den beiden Hallen aus. Aufrichtiges Mitleid für die Aussteller. Für die Lautstärke einen dicken Daumen runter, das war die letzten Jahre besser – und die „Lautstärkepolizei“ konsequenter. Beim Musotalk Stammtisch vom Tag 2 der Messe wird das auch noch einmal unabhängig bestätigt.

Wenig, dafür teuer

Ein weiteres Problem neben den übertriebenen Übernachtungskosten, war die Verpflegung auf der Messe. Die Auswahl für mich als Nicht-Fleischesser beschränkte sich in der Regel auf eine fleischlose Speise oder Salatteller – je nach Stand oder Imbiss. Mein mich an Mensa erinnerndes vegetarisches Moussaka kostete mich stolze 12,50 Euro. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Okay, Messepreise – macht es aber nicht weniger abtörnend. Auch wenn der Vergleich vielleicht nicht fair ist: Auf der kürzlich in Berlin statt gefundenen Superbooth Messe gab es keinen unfairen Aufpreis für Speisen oder Getränke. Da gab es zwar weniger Auswahl für Fleischesser, dafür aber sogar etwas Veganes dabei. Und das richtig lecker. Immerhin war die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in Frankfurt kostenlos mit Messeticket, das nebenbei am Donnerstag 40 Euro gekostet hat. Die folgenden Tage dann weniger.

Alle zusammen

Dieses Jahr war es auch erstmalig so, dass Normalsterbliche zu allen Zeiten Zutritt hatten und nicht wie in der Vergangenheit nur die letzten Tage der Messe. Somit war es schon am ersten Tag so voll, dass ich als Pressevertreter für eine Unterhaltung mit den Ausstellern anstehen musste und dementsprechend wenig Stationen intensiv ansteuern konnte. Bei zwei Herstellern entdeckten meine Gesprächspartner dann direkt hinter mir ein bekanntes Gesicht, fingen Smalltalk an und übergingen und vergaßen mich danach. Ich will nicht wissen, wie es Besuchern ohne Presseausweis ergangen ist. Vielleicht habe ich auch zu viele Fragen gestellt oder war ohne Videokamera im Anschlag zu unwichtig.

Kommen wir aber zu einem Problem, an dem die Messe wohl ziemlich zu knabbern hat: Es waren weit weniger Hersteller als letztes Jahr da. Die Ausstellerzahlen nahmen ja schon lange ab, aber so krass war mir das noch nie aufgefallen. Dazu der Massenandrang (stickigere Luft) und die hohe Lautstärke – ich habe von einigen Ausstellern vernommen, dass sie sich die Teilnahme nächstes Mal gründlichst überlegen werden. Dieses Jahr sind mir die kleinen Aussteller aus Fernost besonders aufgefallen. Entweder sind es tatsächlich mehr geworden oder durch das Fehlen von vielen anderen sind sie einfach präsenter. Nicht nur als Copycat-Firmen (die natürlich auch da waren), sondern durchaus mit eigenständigen Ideen und Ansätzen. Warum auch nicht? Mit dem den Asiaten vorauseilenden Rufs des ewigen Kopierens muss gebrochen werden.

Man hat aber auch an der Hallenaufteilung gemerkt, wo der Markt aktuell Potential sieht: beim Producing, DJ und Studio. Die Halle war mit sehr viel mehr namhaften Ausstellern gefüllt und auch die Besucher schienen dort mehr auf ihre Kosten zu kommen. Dementsprechend unangenehm laut war es dann. Gitarre/Bass musste sich eine Halle mit Drums teilen. Weißte Bescheid.

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Probleme, die keine sein müssten

IMHO hat die Musikmesse in Frankfurt folgende Probleme:

– Der Zeitraum ist für die heutige Zeit zu nah an der NAMM. Da müsste man „einfach“ nächstes Jahr einen anderen, sinnvolleren Termin finden. Dann klappt’s vielleicht auch wieder mit mehr Messeneuheiten in Deutschland.

– Das Konzept mit „Immer offen für alle“ geht für viele Aussteller nicht auf. Es ist einfach zu voll. Auch ich als Berichterstatter muss anstehen, damit ich überhaupt mal mit jemandem ins Gespräch komme. Aus meiner persönlichen Sicht ist das doof. Anspielen? Wenn überhaupt vom Hersteller erlaubt, dann ist die …

– … Lautstärke so hoch, dass man eigentlich nichts hört. Ich hatte zwar Kopfhöreramp und Kopfhörer dabei, aber bei der Umgebungslautstärke wäre es mir selbst damit nicht möglich, eine 10 von einer 10000 Euro Gitarre im Klang zu unterscheiden. Entweder es gibt in Zukunft an allen Ständen eine Kabine oder wie unser Redakteur Moogulator im obig verlinkten Musotalk-Video meint „Kopfhörerpflicht für alle“. Was wäre eigentlich so schlimm daran?

– Die Preise vor Ort für die Verpflegung und die Hotelpreise drumherum sind ein absolutes NoGo. Da kann zwar nicht nur die Musikmesse etwas dafür, aber es sollte angepackt werden. Dringend. Die müssen auch alle Aussteller neben den Standkosten tragen. Das lohnt für viele einfach im Zeitalter „Internet“ nicht mehr. Und schon gar nicht, nachdem sie auf der NAMM waren.

Nochmal?

Ich äußere das alles so direkt, weil ich möchte, dass die Musikmesse wieder wächst und zu einer Messe wird, die man gerne besucht. Sie soll die Menschen wieder begeistern und nicht verschrecken. Die Hersteller und Aussteller sollen ebenfalls wieder zufrieden sein und ihre Produktneuheiten nicht nur in den USA vorstellen. Das ist doch öde.

Was die Musikmesse NICHT machen sollte, ist den Schwanz einziehen und aufgeben oder aber wieder alles positiv darstellen. Das war es nicht – und ich glaube, das wissen alle. Man braucht nur mal bei Ausstellern und Besuchern nachzufragen. Und bitte nicht nochmal gleich angehen, dann war das vielleicht wirklich eine der letzten Messen, wie einige Pessimisten meinen.

Messeteam, ihr könnt das besser! Ich habe keine Patentlösung parat, aber ich möchte nicht, dass die Schwarzmaler recht behalten.

Was es auf der Messe zu sehen gab, könnt ihr in unserem Messereport nachlesen.

Nichts gelernt

Update vom 15.04.2016: Ernsthaft. Es ist wieder passiert. Ich hatte wirklich Hoffnung. Warum eigentlich? Alles ist doch bestens … -> Auswertung bei Das Musikinstrument

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9 Antworten zu “Musikmesse 2016: Wie war es? Und wie geht es weiter?”

    Micha Baum sagt:
    0

    Gut geschrieben!

    Tommy Tulip sagt:
    0

    Es gibt inzwischen wohl einen Kanon der Unzufriedenen, wie ich gestern hier bemerkte: http://blackbirds.tv/?p=11193

    T. sagt:
    0

    Also mir haben Aussteller der PL+S gesagt, dass sie bedaueren, dass die PL+S am Samstag und Sonntag geschlossen sei.
    Außerdem hat für die reine MusikMesse am WE das Ticket „nur“ 20 € incl. Öffentliche gekostet, Freitags 25 für beide Donnerstags im Vorverkauf 30€ Rede bitte nicht alles so krass schwarz!

    Dein Resumee unterschreib ich aber!

    Thomas Helbig sagt:
    0

    Die Musikmesse 2016 war für mich nach 35 Jahren Dauergast die enttäuschendste seit Anbeginn. Nicht nur dass viele große Major-Companies der Messe den Rücken kehrten und Ihre eigenen Hausmessen organisierten, sondern etablierte Traditionen wie die Agora Live-Stage einfach abgeschafft wurden.

    Die anwesenden Firmen haben deutlich Ihre Standgrößen reduziert und in großen Teilen auf Produktdemos/Vorführungen verzichtet. Die neue Hallenaufteilung scheint nicht nach musikalischen Gesichtspunkten geplant worden sein. E-Bass und Drums z.B. unmittelbar örtlich zusammenzulegen war für keine Seite zielführend.

    Mein persönliches Fazit: Ich werde von einem zukünftigen Besuch der Messe absehen, da das Konzept für mich in die falsche Richtung läuft….Meinen Fokus lege ich zukünftig auf die NAMM Show in deren Schatten die Musikmesse Frankfurt bald ganz verschwinden wird…

    Baintov sagt:
    0

    Das ist ein exzellenter Artikel, der mich glaubwürdigst informiert hat. Mein Bedauern, es nicht dort hin geschafft zu haben ist deutlich geschwunden. Ich fände es ebenfalls bedauerlich, wenn die Musikmesse gegen die Wand führe. Sie war oft ein spannendes, schönes, irgendwie auch nerdiges Event, von dem ich in den 90ern herzlich gerne, ja stolz! journalistisch berichtet habe. Aber früher war ja alles besser. Vor allem die Zukunft.

    Heiner Jürs sagt:
    0

    Ich war auch da und kann die langen Wege und die Lautstärke bestätigen. Auch habe ich nicht verstanden, warum z.B. Yamaha so abseits war oder Roland den JD-XA neben italienischen Akkordeons präsentiert.
    Die Übernachtungskosten hat die Messegesellschaft natürlich nicht wirklich im Griff – das ist ja leider überall so. Ich habe mir als „privater Selbstzahler“ dann mit einer sehr messenahen und trotzdem günstigen Privatunterkunft beholfen – und das kann ich sehr empfehlen. Besser als jedes Hotel. Die Verpflegungspreise auf der Messe waren aber vollkommen übertrieben. Bahnhofspreise sind ja noch ok, aber so war’s echt dolle.

    Naja, nach der Messe ist (hoffentlich) vor der Messe. Ein paar Ideen zur Zukunft:

    Die Musikmesse könnte vielleicht mehr an Vorträgen bieten – ggf. auch herstellerunabhängig. So waren einige Sachen bei Avid oder AbbeyRoad-Institute durchaus erhellend. Zumal man mit den „Referenten“ auch noch ins Gespräch kommen konnte, was via Internet nicht gut funktioniert. Es ist einfach etwas anderes, mit jemandem direkt beim Kaffee zu quatschen.
    Die „Kinderecke“ (so nenne ich das mal despektierlich) gehört in eine andere (eigene?) Halle. Das neben die überlauten DJs zu legen ist einfach nur quatsch! Ansonsten ist das aber eine gute und unbedingt ausbaufähige Idee. Es geht schließlich um die Instrumentenkäufer der Zukunft.
    Kopfhörerpflicht? Warum nicht. [Wie war das mit den Klavierherstellern eigentlich früher gelöst, ein Blüthner hat ja meist keinen Kopfhörerausgang?]
    Anderer Termin? Vielleicht im Herbst? [Das Weihnachtsgeld steht dann noch für den kauf der Neuheiten zur Verfügung].

    Ich hoffe, dass die Messegesellschaft da mit kreativen und guten Ideen kommt und die Kritik als Anregungen aufnimmt.

    Es wäre schade, wenn Musikinstrumente nur noch auf Hausmessen oder in Übersee öffentlich vorgeführt würden. Und Produktneuheiten bei „Events“ im Fachmarkt vorzustellen, finde ich auch nicht so prickelnd.

    Viele Fragen … hoffentlich ein gutes Ergebnis – im nächsten Jahr

    Meine erste Musikmesse habe ich 1986 besucht. Seitdem war ich regelmäßig dort – einige Zeit auch als Einkäufer für ein Musikhaus. Meinen letzten Besuch habe ich 2010 absolviert und schon damals war meine Begeisterung nicht mehr sehr groß. Die Dichte an bekannten Musikern, die irgendwelches Equipment zur Schau stellten, war 2010 schon sehr viel geringer als früher.

    Dieses Jahr wäre ich fast weich geworden, bin nun aber froh, dass ich die doch 350 km nicht gefahren bin. Wenn man die Berichte auf den einschlägigen Seiten liest gab es wohl auch wirklich nichts, was nicht schon auf der NAMM vorgestellt wurde. Die komplette Öffnung für Nicht-Fachbesucher halte ich zudem auch für zweifelhaft, denn damit hat man bestimmt überhaupt keine Möglichkeit mehr, sich mit einem Aussteller in Ruhe unterhalten zu können.

    Letztendlich werden wir durch das Internet und besonders durch YouTube ganzjährig informiert. Früher war halt alles besser :-)

    Andres Stäubli sagt:
    0

    Aus meiner Sicht war die Superbooth der Höhepunkt des Messejahres im deutschen Sprachraum. Was mir persönlich fehlt ist eine „DAW“ -Messe, wo im Zentrum des Geschehens die elektronische Produktion von Musik steht (Software und auch Hardware wie Kontroller und Master Keyboards). Wie wäre es mit einer „DAW 2017“ ? Ich bin sicher das eine solche Messe den entsprechenden Zulauf finden würde -aber nur bei ansprechend guter Akustik. An die „Musikmesse“ gehe ich unter diesen Umständen nicht, meine Ohren sind mir wichtiger.

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