Aus Versehen Legenden: Roland TR-808, TB-303, SP-404 und mehr
Hat irgendein anderer Musikinstrumentenhersteller so viele ungewollte Hits gehabt wie Roland? Hier sind fünf Instrumente, die aus Versehen zu Ikonen wurden – von der TR-808 und TB-303 bis zu weniger bekannten Überraschungshits!
Im Original erschienen auf Gearnews.com von Adam Douglas. Übersetzung von Julian Schmauch und Lasse Eilers.
Aus Versehen Legenden
TR-808 Rhythm Composer
Ihr kennt die Geschichte vielleicht. 1980 brachte Roland die TR-808 auf den Markt, eine analoge, programmierbare Drum-Machine mit einzigartigen, sehr elektronisch klingenden Sounds. Obwohl sie von ersten Käufern wie dem Yellow Magic Orchestra bereits gefeiert wurde, hatte die TR-808 es schwer, als wenig später die LinnDrum auf den Markt kam. Mit ihren digitalen Samples konnte sie nicht konkurrieren. Daher stellte Roland die Produktion der 808 schon nach wenigen Jahren ein und erklärte sie zum Misserfolg.
Doch dank des legendären Albums „Planet Rock“ von Afrika Bambaataa und Soul Sonic Force wurde die Drum-Machine kurz darauf zu DER Beatbox für Hip-Hop-Produzenten. Und mit den Jahren wuchs ihr legendärer Status. Als dann in den 2000ern Acts begannen, die berühmte 808-Subbass-Kick zu sampeln und für gepitchte Basslines zu verwenden, wurden sogar noch neue Genres wie Miami Bass oder Trap geboren.
Die 808 inspiriert auch vier Jahrzehnte später noch, weshalb funktionierende Originale für Unsummen gehandelt werden. Zum Glück gibt es inzwischen eine Vielzahl an Nachbauten in allen möglichen Formaten – sowohl als Hardware, als auch als Software.
TB-303: Vom Flop zur Acid-Ikone
Ein Jahr später entwarf Tadao Kikumoto, der Chefingenieur der TR-808, die TB-303 Bass Line. Zusammen mit der TR-606 war sie bekanntlich eigentlich als Ersatz für eine Begleitband zum Üben zu Hause gedacht. Da das schon damals kein überzeugendes Setup dafür war, verkaufte sie sich, wie auch die 808, relativ schlecht. Aber auch sie wurde sie einige Jahre später von Produzenten wiederentdeckt, die sie ganz anders verwendeten als von Roland vorgesehen. In diesem Fall waren es Underground-House-Produzenten in Chicago, in deren Händen die 303 zur Ikone wurde.
Genau die Features, die die TB-303 für die eigentliche Zielgruppe unsympathisch machten, waren die Zutaten für ein neues Musikgenre, das Psychedelik und Experimentierfreude feierte: ACID! Denn für Produzenten aus diesem Bereich waren die sehr simpel gehaltenen Synth-Parameter, das bizarr-quäkige Filter und ein schwer verständlicher Sequencer mit Slide- und Accent-Funktionen genau die richtige Inspiration – nicht zuletzt, weil der umständliche Sequencer-Workflow immer wieder die viel beschworenen „Happy Accidents“ entstehen ließ.
Bis heute ist die TB-303 ein begehrter Synthesizer mit einem Sound, den nachfolgende Generationen von Produzenten und Dance-Fans immer wieder neu entdecken. Also hat Roland die 303 wie die TR-808 in verschiedenen (wenn auch digitalen) Versionen neu aufgelegt. Dazu gibt es auch eine Vielzahl an Klonen.
JP-8000: Die Trance-Legende
Mitte der 1990er-Jahre hatten viele Produzenten elektronischer Musik genug vom komplizierten „Menu Diving“ bei digitalen Workstations und wollten wieder analog arbeiten. Einige der großen Synthesizer-Hersteller kamen ihnen auf halbem Weg entgegen.
Auf der Grundlage einer aus dem Physical Modeling stammenden Technologie wurde die virtuell-analoge Synthese (VA) entwickelt. Dabei werden die Schaltkreise analoger Synthesizer mittels digitaler DSP-Algorithmen emuliert. Und mit der VA-Revolution der 90er-Jahre waren endlich auch die Knöpfe wieder da. Eines der Highlights dieser Ära war Rolands JP-8000, der mit seinem inzwischen allgegenwärtigen SuperSaw die Dance-Music-Produktionen jener Zeit massiv prägte.
Der SuperSaw, ein Layer gegeneinander verstimmter Sägezahnschwingungen, war (und ist immer noch!) ein epischer Sound, auf den Produzenten von Trance und anderen elektronischen Stilen sich sofort stürzten. Wir alten Hasen erinnern uns noch gerne daran, wie schwer es in den späten 90ern war, auch nur ein paar Minuten in einem Club zu verbringen, ohne von einem SuperSaw-geschwängerten Track überrollt zu werden.
Bis heute ist diese Schwingungsform ein Muss in vielen Roland-Synthesizern wie dem Juno-X und dem Gaia 2. Überraschenderweise hat Roland dem JP-8000 aber noch kein virtuelles Denkmal in Form eines Cloud-Synthesizers gesetzt, sondern die erste Software-Emulation Arturia überlassen. Und auch Behringer bietet mit dem JT-4000M Micro eine (winzige) Alternative an.
Octapad SPD-20: E-Drums für alle
Mit diesem Instrument habt ihr jetzt vielleicht nicht gerechnet. Denn während die anderen versehentlichen Legenden dieser Liste vor allem in der elektronischen Musik zu finden sind, hat das Octapad SPD-20 in einem ganz anderen Genre einen nicht weniger starken Einfluss gehabt.
Das erste Octapad kam 1985 auf den Markt und bot Schlagzeugern die Möglichkeit, Sounds über MIDI-Drum-Pads zu triggern. Als dann im Jahr 1998 das SPD-20 folgte, hatte Roland außerdem interne Sounds hinzugefügt und dabei ein gutes Gespür bewiesen. Die Aufnahme indischer Percussion-Sounds war ein kluger Schachzug, denn das SPD-20 wurde auf dem Subkontinent zum Renner. So schuf man auf diese Weise ein völlig neues Berufsbild in Indien: Octapadist. Diese Spezialisten waren in religiösen und Bollywood-inspirierten Musikstilen viele Jahre äußerst gefragt.
Roland hat das Erbe des SPD-20 mit dem SPD-20 Pro fortgesetzt, das mit Blick auf indische Musiker und ihre Bedürfnisse entwickelt wurde. Natürlich müsst ihr aber keine indisch inspirierte Musik machen, um von den Vorzügen der Octapad-Serie zu profitieren.
SP-404 Sampling-Workstation
Die 2005 erstmals erschienene Roland SP-404 Sampling Workstation knüpft an die früheren Sampler der SP-Serie an, die bereits 1998 bei Boss mit dem SP-202 Dr. Sample begonnen hatte. Und wie schon die TR-808 und die TB-303 wurden die SP-Sampler quasi aus Versehen zur Legende – nur eben nicht bei der Zielgruppe, für die sie ursprünglich gedacht waren.
Vor allem bei kreativen Hip-Hop-Produzenten entwickelte sich die SP-Reihe trotz (oder wegen?) ihrer Einschränkungen zum Renner. Roland wurde darauf aufmerksam, stellte die Produktlinie auf den Namen Roland um und definierte sie mit dem 404 neu.
Es dauerte noch einige Jahre, aber schließlich wurde der SP-404 zum Lieblings-Sampler vieler Hip-Hop-Produzenten – man denke zum Beispiel an Flying Lotus und die Lo-Fi-Heads. So entwickelte sich der Sampler zu einem echten Kult-Instrument.
Roland brachte im Laufe der Jahre eine Reihe von Upgrades heraus, darunter den SP-404SX im Jahr 2009 und den SP-404A im Jahr 2017. Schließlich folgte der SP-404MKII von 2021, der viele Einschränkungen der Vorgängermodelle beseitigte und den Sampler fit für eine neue Generation von Produzenten machte. Mittlerweile hat Roland ihn sogar in seinen Kalender der berühmten „X0X-Tage“ aufgenommen und den 4. April zum 404 Day erklärt.


Mehr über Roland
- Roland – Vom Ein-Mann-Betrieb zum Synthesizer-Gigant
- Alles über den Hersteller bei Gearnews
- Roland Website
Videos über die TR-808 und andere Roland-Legenden
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