von Dirk | Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Preset-Menü Xfer Serum

Preset-Menü Xfer Serum  ·  Quelle: Gearnews

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Fast alle von uns haben schon es schon einmal mit Presets zu tun gehabt, denn sie sind überall: in Plug-ins, Effekten und natürlich auch in Hardware-Synthesizern und Klangerzeugern. Eine Musikwelt ohne Presets ist eigentlich gar nicht vorstellbar. Würde es auch ohne gehen? Was sind die Vorteile? Gibt es überhaupt Nachteile?

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Der ARP Solist aus dem Jahr 1971 wird bei schneller Google-Recherche als erster Synthesizer mit Presets angegeben. Ich glaube das einfach mal so, bestimmt kann darüber aber auch ausgiebig gestritten werden. Im Grunde auch egal, denn spätestens im Jahr 1972 wäre ein anderes Gerät dann das erste gewesen. Fast alle haben das „E. Piano“ aus dem Yamaha DX7 schon mal gehört – aber hat auch irgendjemand mal einen eigenen Sound auf diesem FM-Synthesizer programmiert?

Es wird Zeit, über Presets zu reden

Zuallererst demonstrieren Presets die Fähigkeiten eines Instruments oder Effekts. Das ist in Zeit von Online-Handel vielleicht nicht mehr ganz so wichtig wie in der Zeit, als Geräte noch vor dem Kauf beim Händler ausprobiert wurden. Da musste das neue Produkt direkt überzeugende Argumente für den Kauf liefern. Sobald es also möglich war, Einstellungen zu speichern, wurde davon reichlich gebraucht gemacht. Vielleicht ist das auch Grund für die große Euphorie, als Digitaltechnik ihren Einzug in die Musikwelt feierte und manches heute analoge Schätzen als plötzlich wertlos empfunden wurde. Das Speichern eines Patches ist eine wunderbare Sache, warum nicht gleich ab Werk ein paar davon mit auf den Weg geben? Seitdem das möglich ist, pflastern die Hersteller die mittlerweile aus Soft- und Hardware bestehenden Produkte mit Presets voll.

Presets schaffen einen Mehrwert für das Produkt. Wir kaufen nicht nur den neuen Synthesizer oder den tollen Effekt – nein, es sind direkt 1000 Patches gespeichert. Und die kommen von den Meistern des Sounddesigns wie Howard Scarr, Richard Devine, Francis Preve und vielen weiteren bekannten Menschen. Von denen können wir natürlich auch etwas lernen. Wie erzeugt man diesen oder jenen Sound, wie funktioniert ein bestimmtes Feature? Die Presets zeigen es. Wer die Herausforderung annimmt, wird vielleicht sogar dazu animiert, noch bessere Sounds aus einem Produkt herauszuholen.

Außerdem können Presets sogar sehr inspirierend und die Grundlage für einen neuen Song/Track sein. Und da ist jetzt nicht eine schöne Sequenz gemeint, die beim Druck auf eine Taste startet, sondern der pure Sound an sich. Ein fett klingender Bass animiert vielleicht eher zu einer Bassline oder eine krasse Verzerrung motiviert beim Gitarrenspiel einfach mehr. Und warum etwas nicht nehmen oder verändern, wenn es gut klingt? Tatsächlich sind in vielen unserer Lieblingslieder Presets zu hören.

Presets sind kasse!

Aber …

Manchmal sind Presets aber auch kontraproduktiv. Zu viele davon führen zum pausenlosen Durchschalten der Library. Nehme ich jetzt das oder doch lieber das andere? Ah, vielleicht ist da ja noch etwas, das viel besser passt? Kennt ihr das? Manchmal funktioniert auch kein einziges Preset und wir müssen tatsächlich selbst Hand anlegen. Gerade bei Effekten führt da eigentlich kein Weg dran vorbei. Wer sich immer nur auf die vorgefertigten Sachen verlässt, steht irgendwann im Regen.

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Presets verleiten nämlich auch zu einer gewissen Bequemlichkeit. Da will ich noch mal das Beispiel mit dem Yamaha DX7 aufgreifen. Dieser FM-Synthesizer ist mit seinem Mini-Display und den Membranschaltern ein wahres Biest in Bezug auf die Programmierung. Da ist es natürlich viel gemütlicher, sich gar nicht erst damit zu beschäftigen und einfach nur die fertigen Sounds zu benutzen. Reicht ja vielleicht auch aus. Aber die Möglichkeiten werden so natürlich nie ausgereizt.

Presets stehen einem kreativen Umgang mit dem Synthesizer/Effekt also oft auch im Weg. Im schlimmsten Fall sorgen die krassen Patches von den Sounddesignern sogar dafür, den Glauben an die eigenen Fähigkeiten zu verlieren. Wenn von Anfang an jeder vielleicht mögliche Klang schon bereitsteht, gibt es außerdem ja auch gar keinen Grund mehr, sich noch Arbeit zu machen.

Preset-Menü NI Razor

Preset-Menü NI Razor

Ganz schlimm finde ich übrigens Produkte, die nicht mit einem recht neutralen „Init“ starten, sondern sofort alle Register ziehen. Da muss ich aus eigener Erfahrung sofort an Razor von Native Instruments denken. Direkt beim Start kommt so ein fetter und spezieller Sound, dass jede Bewegung an den Parametern zunächst nur für eine Variation davon sorgt. Der Programmierer „Errorsmith“ empfiehlt selbst, immer erst mit dem Init-Patch zu starten, das in der Preset-Liste unter seinem Namen zu finden ist. Auf seinem Mist ist diese Entscheidung also vermutlich nicht gewachsen.

Presets können also auch ganz schön nerven!

Soundpacks und Soundsets

Wer sich gerne aus einem großen Fundus bereits fertiger Sachen bedient, findet in den meist kostenpflichtigen Soundsets und Soundpacks frisches Futter. Das ist eine tolle Sache, denn wie bereits gesagt, haben auch nicht alle Lust, sich stundenlang mit den Features eines Produkts zu beschäftigen. Wer sich am liebsten auf das eigentliche Musikmachen konzentriert oder zügig Projekte fertigstellen muss, greift auf das Angebot von erfahrenen Sounddesignern zurück. Und die wiederum verdienen damit ihr Geld. Gerade bei (Software-) Synthesizern ist daraus ein eigener Markt entstanden. Samples sind da ein weiteres sehr gutes Beispiel.

Und dann gibt es sogar Produkte wie Dark Zebra von U-He, das in Zusammenarbeit mit dem Sounddesigner Howard Scarr entstanden ist und sogar seine (und Hans Zimmers) Verbesserungsvorschläge berücksichtigt. Und auch hier kommt wieder der oben angesprochene Aspekt zutage, dass wir uns genau ansehen können, wie die Patches für das Sounddesign eines Blockbusters (The Dark Knight) aussehen.

Was denkt ihr?

Wie immer sind eure Kommentare erwünscht. Wie denkt ihr über Presets? Benutzt ihr die? Was sind schlechte Beispiele, welche sind gut?

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Bildquellen:
  • Preset-Menü NI Razor: Gearnews
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16 Antworten zu “Sind Presets praktisch oder behindern sie die Kreativität?”

    slaq sagt:
    0

    Presets sind auch nur Sounds. Ich nutze Sounds…ääähm Presets und passe dann alles mitm EQ an. Aber schrauben macht auch dolle Laune aber um ratzifatzi nen Track zu layouten müssen Sounds…ääähm Presets ran. Time is Money…

    Henry sagt:
    0

    Presets sind meiner Meinung nach grundsätzlich eine gute Sache. Dieser Artikel beschreibt die Vor- und Nachteile sehr schön, so dass ich nur noch hinzufügen würde: Inzwischen ist der Preset-Irrsinn schon so weit vorangeschritten, dass man mit dem Argument „Presets präsentieren die Möglichkeiten des Instruments“ teilweise vorsichtig sein muss. Hersteller neigen mittlerweile mehr und mehr dazu, sich auf die „großen“ Namen der Preset-Lieferanten zu fokussieren, um diese gewinnbringend in ihrem Marketing zu benutzen. Was oft dazu führt, dass die mitgelieferten Presets eher den aktuellen Geschmack der Charts widerspiegeln, als tatsächlich zu zeigen, was die Kiste kann. Dann wird es recht schnell öde. Aber das sollte ja die Benutzer nicht daran hindern, trotzdem auf Entdeckungsreise mit ihrem Instrument zu gehen. Aber das gilt ja für alle – mit oder ohne Presets.

      Dirk B. sagt:
      0

      „Was oft dazu führt, dass die mitgelieferten Presets eher den aktuellen Geschmack der Charts widerspiegeln“. Ja da gebe ich dir Recht. Hat manchmal auch genau den gegenteiligen Effekt. Da lädt man sich die Demoversion runter, skippt durch die Presets und denkt: „Nein“.

    Tomstone sagt:
    0

    Hi! An anderer Stelle hatte ich bereits geschrieben, dass ich auch Presets nutze. Manchmal ist ein bestimmter Sound der Auslöser für ein neues Stück oder für eine Richtung, die ich einschlagen will. In der Regel nutze ich aber nur einen Piano Sound um das Gerüst für einen Song einzuspielen. Und dann schaue ich was dazu passt.
    -Tone2 Icarus habe ich z.B. gekauft, weil ich mir vorher die Möglichkeiten angehört habe und begeistert war und bin.
    Dafür sind Presets oder Demos prima zu gebrauchen. Allerdings kann es, wie jemand anderes bereits erzählt hat, auch mächtig schief gehen. Wenn also die Presets nicht wirklich originell sind oder der Sound irgendwie dünn klingt.
    Vielleicht habe ich dem jeweiligen Instrument dann auch unrecht getan.

    Einen schönen Samstag wünscht,
    Tom

    Müller sagt:
    0

    Oft suche ich einen Sound und finde ihn beim Background Musik abspielen lassen indem ich alles mögliche für Presets durchhöre. Denn der einzelne Sound hat nicht viel zu melden, die frage ist nur ob es passt sich einfügt und ende. Deshalb ist die rumschrauberei gar nicht so einfach.

    Kobi Kobsen sagt:
    0

    Solange es keine Synths gibt die ausser presets nichts können ist die Diskussion unnötig. Wer kein Bock oder keine Zeit oder keine Skills hat, selbst Sounds zu schrauben nutzt Presets. Wer Bock, Zeit und Skills hat, der schraubt sich selbst Sounds. Auch alles dazwischen geht.

      Oliver Oesting sagt:
      0

      Der Meinung bin ich auch. Es gibt schon tolle Presets, an denen herum zu schrauben bringt mehr. Es ist eben auch Handwerk, nicht nur ein Knopf den man drückt.

    Matthias sagt:
    1

    Ich schalte meinen Rechner idR erst an wenn ich eine ganz konkrete Melodie + Sound im Kopf habe. Dabei stören mich Presetsounds und vor allem vorgefertigte Arpreggios beim komponieren. Gerade die Arpreggios lenken mich sehr stark von dem ab was ich eigentlich machen wollte (weil man ständig damit rumspielt), und daher behindern sie meinen Workflow.
    Synths wie Nexus usw. benutze ich daher gar nicht mehr. Ist für mich reine Zeitverschwendung.

    Zuerst wird die Melodie mit einem simplen Piano eingespielt. Wenn alles fertig ist, dann wird jeder Sound einzeln geschraubt und angepasst. Das geht auch viel schneller als wenn man sich erst durch hunderte Presetsounds durchhören muss, bis man endlich was passendes gefunden hat.

    Müller sagt:
    0

    In den 80zigern und 90ties gab es nur preset Schleudern. Das führte dazu dass die meisten damit auch Musik machten! Heute gibt es mehr Schrauber und Sound Designer und die Musiker werden weniger.

    V Punkt A sagt:
    0

    ich kann mit presets nicht wirklich viel anfangen und bin im normalfall auch viel schneller einen sound zu basteln als ellenlangelisten an presets durchzuhören (klappt aber auch nur wenn man das gerät oder die software gut kennt).

    um noch 2 provokante thesen in den virtuellen raum zu werfen. presets sind für mich wie kochen mit fertigprodukten schmeckt zwar auch irgendwie aber alles schmeckt irgendwie ähnlich. so ist es auch bei vieler musik klingt einfach sehr gleich und daher nicht mehr unterscheidbar und daher austauschbar und verliert sich in den menge. aber hängt aber auch sehr stark vom genre ab in dem man sich bewegt und welchen anspruch man an sich selbst hat.

    hätte zwar noch ein paar mehr thesen, theorien und überzeugungen aber wenn ich mir die abstimmung ansehe stellt sich die frage nicht. ich kann dem was erik errorsmith sagen zu 100 % zustimmen.

    p.s. am schlimmsten sind die, die fertige loops kaufen. naja einer macht malen nach zahlen der andere ist oder wird van gogh.

    lange rede kurzer sinn im endeffekt muss jeder selbst wissen war er tut. und wie jeder lesen kann ein reizthema für mich ;) sorry

      Müller sagt:
      0

      Die Musik Hersteller wissen nicht mehr was sie erfinden sollen, deshalb gibt es immer mehr Instrumente die auch für musikalisch völlig unbedarfte, sie drücken 2 oder 3 Knöpfe und es klingt bereits wie eine fertige CD. Von diesen Sachen gibt es genügend, und vor allem sind die Unbedarften neu generierte Kunden die es zuvor noch nie gab.
      Ich habe mit der Gitarre begonnen, als Anfänger klingt man einfach schrecklich, man muss erst einmal viel opfern bis es zumindest ein wenig trocken Brot gibt, währenddessen die heutigen Wundermaschinen mit 1 Knopf Bedienung fast von selbst dudeln…..

    Monolectric sagt:
    0

    Ganz wichtig und oft nicht bedacht ist neben den vorgefertigten Presets auch die beinahe unermüdliche Anzahl an kostenlosen und kostenintensiven Plugins selber.

    Brauche ich in der DAW in heutigen Zeiten wirklich 12 Analogsynths, 5 FM-Klangerzeuger, 3 mit Granulatsynthese , 2 Sampler etc…? Irgendwann klingt leider auch ein Plugin wie das andere. Als Musiker im Home-Studio hat man ja auch nicht diese Anzahl an Hardware weil es klangtechnisch
    unweigerlich zu einer erschlagenden Redundanz kommt.

    Ich selber habe meine DAW von all dem Überfluss befreit und bastle lieber an Sounds mit den wenigen essentiellen Synths, die noch geblieben sind.

    Presets sind klasse und dienen als gutes Fundament für eigene Klangkreationen.

    Das heute viele Musiker fast nur noch vorgefertigte Standard-Presets verwenden ist eine gute Erklärung dafür, warum in den „Charts“ alles gleich klingt.

    Priest Preset sagt:
    0

    Ich finde Presets sehr gut, wenn
    – sie so „klassisch“ sind, dass man sie oft einsetzen kann (lately bass),
    – man sie leicht abwandeln kann, sei es, weil es das Interface erlaubt
    – oder ein richtig guter randomizer „on board“ ist – wie zum Beispiel im FAW Circle

    Ragnar sagt:
    0

    Ohne Presets käme ich kaum zu fertigen Stücken. Das ist für mich leider nur ein Hobby mit begrenztem Zeitkonto. Ich suche mir einen passenden Sound und dann wird der durch Effekte dahin gebogen, wo ich den haben möchte. Das geht mit mit den Beats auch so, die Hälfte der Songs werden mit Samples bestückt, die andere programmiert, wobei mir das natürlich immer lieber ist. Es wurmt mich allerdings schon ein bisschen zu wissen, dass Bitwig mit Grid quasi alles möglich macht, ich diesen Teil aber mangels Zeit bisher nicht nutze. Es gibt wohl die Soundtüftler, die Songschreiber und die Gesegneten, die beides beherrschen.

    Niko S. sagt:
    0

    Eine Gitarre oder ein Piano, etc. baut man sich auch nicht unbedingt von Grund auf selbst. Das Preset erzeugt einen Klang, der in meinen Song passt oder eben nicht.
    Ich lasse mich gerne überraschen; oft entsteht mit Presets ein Track, an den ich nicht ursprünglich schon gedacht hatte. Gerade Presets können meinen Flow am laufen halten.
    Aber natürlich kann ich verstehen, dass jemand mit einer sehr klaren Vorstellung von einem Sound eher durch ein Preset irritiert wird. Es kommt sehr auf den eigenen Workflow an, ob Presets als Vor- oder Nachteil empfunden werden.

    Orpheus sagt:
    0

    Presets sind gut, da man gleich loslegen kann. Zudem lernt man, wie ein Sound gebaut ist. Trotzdem müssen Sounds angepasst werden, und es lohnt häufig, selber zu basteln. Habe etwa für FM8 Hunderte Sounds gemacht oder geändert.

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