Gitarrenwahl: Zeig mir deine Gitarre und ich sage dir, wer du bist
Warum die Wahl deiner Gitarre mehr über dich aussagt, als du denkst...
Es sind die zwischenmenschlichen Momente, die Ideen für Kolumnen wie diese zum sehr persönlichen Thema Gitarrenwahl produzieren: Ich hatte neulich einen kleinen medizinischen Eingriff unter örtlicher Betäubung und „Dämmerschlaf“ dank Dormicum. Und während ich so vor mich hin dämmere, unterhalte ich mich mit meinem Arzt — einem Gitarristen. Natürlich ging es schnell ums Gear und ich riet, benebelt wie ich war, sofort und ungefragt, dass er doch mit Sicherheit mindestens zwei PRS habe. Große Augen. „Wie kommst du denn da drauf???“ — natürlich hatte ich recht.
Gitarrenwahl – Inhalt
Denn seien wir ehrlich: Unsere Gitarrenwahl verrät mehr über uns, als wir allgemein zugeben möchten. Klar, es geht uns allen ausschließlich um Klang, Handling und Budget . Aber wenn wir ganz tief in uns hineinhorchen, dann hat jede Gitarrenwahl einen Grund, jedes Instrument einen Charakter. Und der überträgt sich. Oder spiegelt uns wider. Oder beides.
Dieser Artikel ist eine kleine Typologie für Gitarrist:innen und deren Gitarrenwahl. Nicht unbedingt wissenschaftlich fundiert, aber garantiert aus dem echten Leben. Übrigens hat mir besagter Arzt den Kommentar nicht übel genommen. Zum einen war der Eingriff ein voller Erfolg (danke an der Stelle), zum anderen hat ER mir die Story erzählt. Ich habe, nach wie vor, keine Erinnerung an die Sache — Dormicum…
Ach ja, natürlich ist der folgende Artikel im vollen Umfang ernst gemeint. Wer sich angegriffen fühlt, sei hiermit angeregt, unter jedem einzelnen meiner Artikel diverse Kommentare zu hinterlassen…
1. Die Les-Paul-Spieler

Typisches Modell: Gibson Les Paul Standard, Epiphone 1959 Reissue, Tokai Love Rock (natürlich aus Japan!) Lieblingsfarben: Tobacco Sunburst, Schwarz, Goldtop
Sound: Fett, warm, sustainreich
Les-Paul-Spieler sind keine Draufgänger – sie sind Strategen. Sie wissen, was sie wollen: durchsetzungsfähige Leadsounds, cremige Soli und ein Look, der auf jeder Bühne und in wirklich jedem Genre Eindruck macht. Wer eine Les Paul spielt, hat sich entschieden – für Tonfülle statt Gewichtseinsparung und für Tradition statt Modetrend.
Psychogramm:
Diese Gitarristen haben oft eine gewisse Ernsthaftigkeit (manche behaupten gar Pedanterie) in ihrem Spiel. Sie beschäftigen sich mit Details bei der Gitarrenwahl – sei es das richtige Poti-Taper, das beste Lötzinn oder die klanglich perfekte Gitarren-Kabel-Röhren-Kombination. Gitarrenpflege ist Pflicht, Gitarrentechnik Religion. Üben? Muss nicht sein.
Typisches Verhalten:
- Regelt vor jedem Song den Volume-Poti präzise auf 8,7
- Diskutiert regelmäßig online über Unterschiede zwischen 50s- und 60s-Wiring
- Hat mindestens einmal das Wort „mojo“ gesagt – und es ernst gemeint
Soundvorbilder: Slash, Jimmy Page, Joe Bonamassa


2. Die Strat-Player

Typisches Modell: Fender Stratocaster, Squier Classic Vibe Stratocaster, selbst zusammengeschraubter Parts-Caster
Lieblingsfarben: Olympic White, Sonic Blue, Sunburst
Sound: glasklar, perlend, flexibel
Es gibt Spieler, die behaupten, die Stratocaster sei das Schweizer Taschenmesser unter den Gitarren. Und genau das zieht ihre Fans bei der Gitarrenwahl an. Strat-Spieler wollen alles können: funky Cleans, bluesige Crunches und warme Leads. Und sie sind bereit, ewig daran zu feilen.
Psychogramm:
Perfektionisten mit einem Hang zur Selbstoptimierung. Der Ton ist nie gut genug, das Setup nie ganz richtig. Sie sind die Bastler unter den Gitarristen – und oft auch die, die am meisten über ihr Equipment und das Thema Gitarrenwahl nachdenken.
Typisches Verhalten:
- Spielt regelmäßig am Volume-Poti – auch mitten im Solo
- Hat mehr Pickguards gewechselt als Songs geschrieben
- Träumt heimlich von einem Rig mit zwei Amps, Wet/Dry/Wet – aber spielt meistens über einen kleinen Combo. Oder komplett unverstärkt auf dem Sofa.
Soundvorbilder: Eric Clapton, John Frusciante, David Gilmour


3. Die Telecaster-Fraktion

Typisches Modell: Fender Telecaster, Squier Classic Vibe Telecaster, G&L ASAT
Lieblingsfarben: Butterscotch Blonde, Natural, Custom-Schwarz mit Binding
Sound: Knackig, direkt, kompromisslos
Die Telecaster ist das Arbeitstier unter den E-Gitarren. Zwei Pickups, ein Stück Esche oder Erle, ein Blechwinkel – fertig. Wer Tele spielt, will kein Gedöns und ist mit der Gitarrenwahl schnell durch. Dafür Authentizität, Durchsetzungskraft und einen Sound, der sich nicht anbiedert.
Psychogramm:
Tele–Spieler sind oft Puristen mit klarer Meinung. Sie wissen: Wenn man sich auf das Wesentliche konzentriert, ist mehr gar nicht nötig. Sie stehen mit beiden Beinen fest auf dem Boden – mit Cowboystiefeln oder Chucks, je nach Genre.
Typisches Verhalten:
- Verzichtet freiwillig aufs Tone-Poti („brauch ich nicht“)
- Spielt Blues, Country, Indie und Punk – auf ein und derselben Gitarre
- Hat mindestens ein Boutique-Pedal, das angeblich „alles verändert“
Soundvorbilder: Bruce Springsteen, Keith Richards, Jim Root (ja, wirklich!)


4. Die Metal-Axt-Spieler

Typisches Modell: Alles von ESP LTD, Jackson Soloist, Ibanez RG, alles von Solar Guitars
Lieblingsfarben: Schwarz, Satin Red, irgendwas mit Zacken
Sound: High Gain, Tight Bottom-End, Pinch Harmonics galore
Metal-Gitarristen erkennt man oft schon am Koffer: eckig, schwer und mit Warnaufklebern. Ihre Gitarren sind Werkzeuge – die Gitarrenwahl optimiert für Präzision, Geschwindigkeit und Durchsetzungsfähigkeit im Mix. Sustain ist Pflicht, Mid-Scoop eher Form- als Geschmackssache.
Psychogramm:
Technikverliebt, akribisch, diszipliniert. Diese Jungs und Mädels üben mit Metronom, messen ihre Handgelenkwinkel und wissen genau, wie viel dB bei 1 kHz ihr Tube Screamer pusht. Spontane Jams? Ja, aber nur in Drop-C und mit Clicktrack.
Typisches Verhalten:
- Spielt bei 220 BPM 16tel – aber hat keine Ahnung, was Cmaj7 ist
- Bleibt gern mit den Haaren in den Saiten hängen, ist aber trotzdem schneller als alle anderen
- Hat 37 Presets – nutzt aber nur zwei
Soundvorbilder: Ola Englund, Jeff Hanneman, James Hetfield


5. Die Jazz-Box-Connoisseure

Typisches Modell: Gibson ES, Ibanez Artcore, D’Angelico, Eastman
Lieblingsfarben: Natural, Vintage Sunburst, Wine Red
Sound: Warm, rund, samtig – und niemals verzerrt
Jazz-Gitarristen sind die Feingeister der Szene. Ihre Gitarren klingen wie Filterkaffee auf Porzellan: kultiviert, zurückhaltend, mit Substanz. Hollowbodies oder Semi-Hollows, Flatwound-Saiten und Plek-Größe „XL Jazz III“ – klarer Fall bei der Gitarrenwahl.
Psychogramm:
Intellektuell, diszipliniert, eher ruhig im Auftreten. Improvisation wird zur Lebensphilosophie, Musiktheorie ist kein Buch mit sieben Siegeln, sondern Frühstückslektüre. Wenn jemand fragt, ob man „Free Jazz“ mag, antwortet man: „Kommt drauf an, welcher Teil free ist.“
Typisches Verhalten:
- Spielt 32tel-Arpeggios über Substitutionen – im Sitzen
- Hat das Tone-Poti nie über 5 gedreht
- Hört sich selbst kaum – der Rest der Band aber auch nicht
Soundvorbilder: Wes Montgomery, Pat Metheny, Julian Lage


6. Die Headless-Fraktion

Typisches Modell: Strandberg, Kiesel, Steinberger, Legator
Lieblingsfarben: Spaceburst, Natur-Carbon, Anything-but-Vintage
Sound: Modern, klar, präzise – manchmal sogar klinisch
Headless-Gitarren sind der Inbegriff des musikalischen Fortschritts. Sie wiegen kaum etwas, sind top ausbalanciert und sehen aus wie aus einem Sci-Fi-Film. Wer so ein Instrument spielt, will auffallen – aber bitte funktional.
Psychogramm:
Diese Gitarristen sind die nerdigen Pragmatiker. Sie lesen Manuals, vergleichen Frequenzdiagramme von Tonabnehmern und wissen, was eine „multi-scale compensated nut“ ist. Oft mit der eigenen (und allen anderen) DAW auf du und du, aber im Herzen doch immer Gitarrist.
Typisches Verhalten:
- Erzählt dir beim Soundcheck, wie leicht die Gitarre ist (Spoiler: NUR 2,24 kg)
- Spielt gerne barfuß – wegen des besseren Pedalgefühls
- Hat den USB-Stick mit IRs immer am Schlüsselbund
Soundvorbilder: Plini, Tim Henson, Tosin Abasi


7. Die Offset-Gitarren-Community

Typisches Modell: Fender Jazzmaster, Jaguar, Mustang, Squier J Mascis
Lieblingsfarben: Sonic Blue, Shell Pink, Burgundy Mist
Sound: schrill, spacig, atmosphärisch
Offset-Gitarren sind keine bloßen Instrumente – sie sind Statements. Unkonventionelle Formen, spezielle Schaltungen, rhythm circuits und ein Hang zur Eigenwilligkeit. Wer Offset spielt, will nicht klingen wie alle anderen. Oder zumindest so tun.
Psychogramm:
Künstlerisch, unkonventionell, ein bisschen retro und auch bei der Gitarrenwahl sehr stilbewusst. Sound kommt aus der Kombination von Hall, Delay und Persönlichkeit. Feedback ist keine Panne, sondern Teil des Arrangements.
Typisches Verhalten:
- Spielt mehr mit Reverb als mit Verstärker
- Hat ein Pedalboard größer als der Proberaum
- Redet von „Texture“ statt von „Ton“
Soundvorbilder: Thurston Moore, Kevin Shields, Nels Cline


8. Die Akustikpuristen

Typisches Modell: Martin D-28, Taylor 314, Yamaha FG, Lakewood
Lieblingsfarben: Natur
Sound: Ehrlich, holzig, unverstärkt
Diese Gitarristen brauchen kein Pedalboard, keinen Amp, keine Batterien. Sie spielen, was da ist – meistens Open Chords, Fingerpicking, vielleicht ein bisschen Strumming. Es geht um die Musik, nicht um die Technik. Punkt.
Psychogramm:
Bodenständig, ruhig, manchmal etwas belehrend. Liebt Holz, handgemachte Musik und Singer-Songwriter-Festivals. Hat die Gitarre immer dabei – und wenn nicht, wird sie vermisst. Wollpullover.
Typisches Verhalten:
- Spielt auch auf Kindergeburtstagen
- Weiß immer, wie man ein Lagerfeuer entzündet
- Besitzt keinen Tuner – stimmt aber trotzdem besser als du
Soundvorbilder: James Taylor, John Butler, Damien Rice


Fazit: Jeder spielt, wie er ist – und das ist auch gut so
Unsere Gitarrenwahl sagt vielleicht nicht immer alles über uns aus – aber sie verrät oft mehr, als wir denken. Ob du nun ein Vintage-Freak mit Paula bist, ein High-Gain-Held mit Metal-Axt oder ein Jazz-Hedonist mit Hollowbody: Am Ende zählt, dass du spielst, nicht was du spielst.
Denn das Schönste an Gitarren ist ihre Vielfalt. Kein Typ ist besser, kein Stil ist überlegen. Wir alle tragen ein Stück von unserer Persönlichkeit im Koffer mit uns rum – und das ist doch irgendwie auch cool, oder?
Und jetzt du: Welche Gitarre spielst du – und was sagt das über dich?
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6 Antworten zu “Gitarrenwahl: Zeig mir deine Gitarre und ich sage dir, wer du bist”

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Und was ist mit denen, die von jedem Gitarrentyp mindestens ein Exemplar haben?
Kenn ich auch…klassischer Fall von gespaltener Persönlichkeit.
Herrlich! Lange nicht so gelacht, als ich mich irgendwo zwischen Strat-Player und der Offset-Gitarren-Community wiedergefunden habe 😂
Auch wenn man nicht jeden Gitarristen in eine Schublade stecken kann,ist der Artikel sehr unterhaltsam und eher augenzwinkernd.Viele Musiker haben mehrere Instrumente,kehren aber doch immer wieder zu ihrem „Lieblingsinstrument“ zurück
Und der ganze Artikel basiert auf einer Betäubungsmittel-Erfahrung ? Eventuell andere Artikel auch ? :)
Eventuell.