Coil-Split, Coil Tap & Co. – Was bringt’s wirklich?
Was man mit Tonabnehmern alles anstellen kann
Neulich im Studio kam es mal wieder zum Thema Coil-Split: Ein Kollege zeigt mir stolz seine neue Les Paul. „Mit Coil-Split klingt die jetzt wie ’ne Strat“, sagt er – und zieht triumphierend am Push/Pull-Poti. Was dann aus dem Amp kam, war… sagen wir mal: ambitioniert.
Klar ist: Gitarren mit Push/Pull-Schaltern, Miniswitches oder geheimen Wire-Tricks sind längst keine Seltenheit mehr. In fast jedem mittleren bis gehobenen Modell, auf dem nicht „Vintage“ steht, steckt heute irgendeine Split-Funktion. Aber was passiert da eigentlich elektronisch? Und vor allem: Lohnt sich das Ganze klanglich oder ist es am Ende nur ein Placebo für Technik-Nerds?
In diesem Artikel schauen wir uns an, was hinter Begriffen wie Coil Split, Coil Tap, Parallel-Schaltung oder Out of Phase steckt. Wir erklären die Technik dahinter, zeigen, was man erwarten darf – und was besser nicht.
Coil-Split, Coil-Tap und Co. – Inhalt
Grundkurs: Humbucker vs. Singlecoil – was war nochmal der Unterschied?

Bevor wir uns in die Untiefen des Schaltungsdschungels von Coil-Split und Kollegen stürzen, klären wir die Basics: Was unterscheidet eigentlich einen Humbucker von einem Singlecoil?
- Singlecoil: Die Urform des Tonabnehmers – eine Spule, ein Magnet, fertig. Klingt glockig, offen, brillant – aber leider auch anfällig für Brummen und Störgeräusche.
- Humbucker: Zwei gegenphasige Spulen nebeneinander, die das Brummen herausfiltern (wenn alles klappt). Der Sound ist dicker, wärmer, mittiger – und meist auch deutlich lauter.
Der Humbucker wurde ursprünglich nur erfunden, um das lästige 50-Hz-Brummen zu unterdrücken – aber wir Gitarristen fanden den fetteren Sound so geil, dass daraus ein eigener Klangstandard wurde. Heute steht der Humbucker für Rock, Metal und alles, was ordentlich schiebt. Der Singlecoil bleibt König in Sachen Klarheit und Funkiness.
Und genau deshalb träumen viele von der eierlegenden Wollmilchgitarre: Ein Instrument, das beides kann – die Eleganz und Klarheit des Singlecoils und die Wucht des Humbuckers. Das ist aber nicht ganz so einfach.
Coil-Split: Was heißt das eigentlich?
„Split“ klingt erstmal dramatisch – ist es aber nicht. Beim Coil-Split wird schlicht eine der beiden Spulen des Humbuckers deaktiviert und aus dem Schaltkreis entfernt. Zurück bleibt eine halbe Einheit, die technisch einem Singlecoil ähnelt. Klingt also wie ein echter Singlecoil? Nicht ganz.
Wie funktioniert das?
Damit ein Coil-Split überhaupt möglich ist, braucht ein Humbucker vier Anschlussdrähte (plus Masse), also eine sogenannte vieradrige Verdrahtung. Nur dann lässt sich die Verbindung zwischen den Spulen unterbrechen – entweder über einen Push/Pull-Poti oder einen kleinen Kippschalter. Das Ergebnis: Nur noch eine der beiden Spulen ist aktiv.
Wie klingt das?
In der Theorie: heller, schlanker, bissiger. In der Praxis: selten wie ein echter Strat-Pickup. Warum? Weil:
- die Spule nicht exakt wie ein Singlecoil aufgebaut ist,
- die Magnetstruktur anders ist,
- und der Abstand zur Saite oft höher liegt.
Außerdem spielt es eine Rolle, welche der beiden Spulen aktiv bleibt: Die mit Schraubpolen klingt anders als die mit Slugs. Manche Hersteller legen das bewusst fest, andere lassen’s dem Zufall – oder der Lötlaune im Werk.
Fazit: Coil-Split ≠ Strat
Der Coil-Split kann eine klangliche Erweiterung sein, vor allem im Clean-Bereich oder bei funky Rhythmusparts. Aber wenn du denkst, deine Les Paul klingt gesplittet wie eine Fender… dann solltest du dringend mal wieder eine echte Strat in die Hand nehmen.
Ich gebe zu, dass mir der Test der American Ultra II Stratocaster da die Augen geöffnet hat…
Coil Tap: Klingt ähnlich, meint aber was anderes
Der Begriff Coil Tap wird gerne mal in denselben Topf wie Coil-Split geworfen – dabei handelt es sich technisch gesehen um zwei völlig verschiedene Dinge. Und ja: Auch viele Hersteller werfen da gern mal mit Fachbegriffen um sich und heizen die Verwirrungen an.
Was ist Coil Tap?
Beim Coil Tap geht es nicht um Humbucker, sondern um Singlecoils mit zusätzlicher Anzapfung. Ein getappter Pickup hat eine Wicklung mit einem Zwischenabgriff – also sozusagen einen eingebauten „Lautstärkeregler“, der über einen Schalter aktiviert wird.
Ergebnis: Man kann zwischen einem voll ausgewickelten, kräftigeren Ton und einer „abgespeckten“ Version mit weniger Wicklungen umschalten – also einem helleren, vintage-ähnlicheren Sound.
Also: Coil Tap zapft die Wicklung an. Coil Split kappt die Spule.
Parallel, Out-of-Phase & Serien-Schaltungen – der Kaninchenbau wird tiefer

Wenn du dachtest, das war schon alles – willkommen in der Tiefe der Löt-Werkstatt. Denn moderne Schaltungen können noch mehr als nur Spule an / Spule aus.
Parallel-Schaltung
Normalerweise sind die beiden Spulen eines Humbuckers in Serie verschaltet – also der Strom fließt durch beide nacheinander. Das ergibt den fetten und druckvollen Sound, den wir kennen und lieben.
Bei der Parallel-Schaltung werden beide Spulen gleichzeitig, aber unabhängig voneinander angesteuert. Das reduziert den zusammengenommenen Output, klingt klarer und höhenreicher – eine Art „humbuckeresker Singlecoil“. Ideal für cleane Sounds mit mehr Transparenz, aber weiterhin brummfrei. Zumindest auf Humbucker-Seite und wenn die Verkabelung passt.
Out of Phase
Ein echter Spezialfall. Zwei Spulen (oder zwei Pickups) sind elektrisch oder magnetisch gegeneinander verschaltet – dadurch löschen sich bestimmte Frequenzbereiche gegenseitig aus.
Klang: Dünn, nasaler, leicht „quäkig“ – aber in Kombination mit einem normalen Pickup kann ein sehr charaktervoller Sound entstehen. Vor allem Peter Green hat’s mit der heute im Besitz von Kirk Hammett befindlichen Greeny populär gemacht.


Serien-Schaltung
Der Standard bei Humbuckern – beide Spulen hintereinander. Kräftiger Output, viel Mitten, ideal für Leads und Crunch. Muss man nicht erklären, hat man schon tausendmal gehört – ist aber eben auch Grundlage für alle anderen Modifikationen und fehlt ansonsten gern mal bei der Auflistung möglicher Elektronik-Mods.
Also: Wenn du wirklich das Maximum aus deinen Pickups holen willst, lohnt sich der Blick in die Schaltungswelt. Aber Achtung: Nicht alles klingt automatisch „besser“. Vieles klingt einfach nur… anders. Und manchmal ist genau das der Trick.
Praxisbeispiele: Welche Gitarren machen’s gut?
Coil Split, Tap & Co. sind längst keine Spielerei für Boutique-Gitarrenbauer mehr – auch große Hersteller haben erkannt: Wer heute eine Gitarre kauft, will mehr Sound für sein Geld. Und genau deshalb findest du in vielen aktuellen Modellen clevere Schaltungen direkt ab Werk.
PRS SE Custom 24
Das Vorzeigemodell für gelungenes Split-Design. Das Push/Pull-Tone-Poti aktiviert eine Spule der PRS-eigenen Humbucker – und das Ganze klingt im Split-Modus tatsächlich brauchbar. Klar, keine echte Strat, aber im Bandmix ein angenehmer Clean-Sound mit Charakter.


Fender American Ultra II Stratocaster
Die mit drei Single-Coils (zumindest vordergründig, eigentlich sind es technisch auch eher Humbucker…) ausgestattete Strat verfügt über eine ausgeklügelte Art, ihre Tonabnehmer zu schalten, den S1-Switch. Dieser Push-Push-Schalter auf dem Volume-Poti aktiviert bei den Positionen 4 und 5 den Halstonabnehmer zusätzlich, so dass es die Option gibt, Hals- und Stegtonabnehmer gleichzeitig zu spielen oder aber alle drei Pickups parallel zu bedienen.


Gibson Les Paul Modern
Endlich: Auch bei Gibson zieht man nach. Mit Push/Pull-Potis kannst du hier splitten, out-of-phase schalten und die Tonblende umgehen. Klingt alles sehr mächtig – ich hatte für kurze Zeit eine Paula hier und bin nicht endgültig warm geworden. Aber ich bin, was Paulas angeht, auch echt sehr, sehr retro unterwegs.


Yamaha Revstar mit Dry Switch
Eine meiner eigenen Entdeckungen, über die ich viel zu selten Spreche, ist die wunderschöne Revstar RSP. Ich liebe das Teil, auch wegen der cleveren Schaltung. Statt Coil-Split geht Yamaha einen anderen Weg: Der „Dry Switch“ ist ein passives Filter, das die Bässe beschneidet und den Humbucker transparenter macht – ganz ohne Spulen-Umschaltung. Klingt clever – und das ist es auch.


Fazit: Swiss Army Knife oder doch nur eine Spielerei?

Coil-Split, Tap, Parallel, Phase-Reverse – klingt erstmal wie ein Gitarren-Promi-Workoutplan, ist aber tatsächlich ein ziemlich spannendes Thema. Denn: Mit ein paar cleveren Schaltungen lässt sich aus einer Gitarre deutlich mehr Soundvielfalt herausholen, ohne ein zweites (oder drittes, oder viertes) Instrument schleppen zu müssen.
Aber – und das ist wichtig – diese Funktionen sind kein Zaubertrick. Wer glaubt, seine Paula klingt mit Coil-Split plötzlich wie eine 60s Strat mit Alnico-5-Singlecoils, wird enttäuscht. Technik hat ihre Grenzen – und Physik sowieso.
Dennoch sind Split und Tap in meiner Erfahrung coole Optionen. Wer sie sinnvoll einsetzt, kann damit sein Sound-Repertoire ordentlich erweitern.
Was haltet ihr von Coil-Split & Co.? Nutzt ihr die Optionen – oder findet ihr es meist überflüssig? Ich freu mich auf die Kommentare!
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