Workshop: So benutzt du den Kompressor als kreativen Effekt
Egal ob als Hardware oder rein virtuell: Ein Kompressor ist ein fast unverzichtbares Werkzeug im Studio. In diesem Artikel geht es um die Möglichkeiten, den Kompressor als kreativen Effekt zu nutzen und welche Hardware oder Plugins hierfĂŒr besonders interessant sind.
Inhalt:
Den Kompressor als Kreativ-Effekt nutzen
In vielen Recording- und Mixing-Situationen geht es vordergrĂŒndig darum, Kompression möglichst zielgerichtet und âtransparentâ zu benutzen. Damit ist primĂ€r gemeint, dass der Kompressor nicht zu auffĂ€llig arbeitet. Ganz nach der Devise, dass zu viel Einsatz dieses Effekts den Mix ruinieren kann. FĂŒr viele Aufnahmen und Mixe ist ein wohldosierter Einsatz mit Sicherheit auch genau der richtige Ansatz.
In diesem Text soll es aber nicht um eine möglichst âfachgerechteâ und neutrale Anwendung gehen, sondern vielmehr um möglichst auffĂ€llige Kompression. Dann wird dieser Effekt nĂ€mlich nicht zu einem subtilen Hilfsmittel und leistet stattdessen einen deutlich wahrnehmbaren Beitrag. Wir gehen dabei ein paar AnsĂ€tze durch und empfehlen Soft- und Hardware, die sich dafĂŒr eignet.
AuĂerdem soll es â mit ein paar Ausnahmen â um eher gĂŒnstige Kompressoren gehen, die dein Budget schonen und sich gut fĂŒr die vorgestellten Konzepte eignen. Wenn du vielmehr einen hochwertigen Kompressor fĂŒr âseriöseâ Studioarbeit suchst, solltest mal in diesem Kaufberater stöbern. Und falls du ein bisschen mehr ĂŒber das Prinzip und die Funktionsweise von Kompressoren interessierst, findest du in diesen Artikel bei Bonedo die wichtigsten Grundlagen.
Sidechaining
Besonders durch Techno- und House-Musik ist seit den 90er-Jahren der Sidechain-Effekt besonders populÀr geworden. Damit ist nichts anderes gemeint, als dass ein ausgewÀhltes Audiosignal den Kompressionsvorgang auf einem anderen Signal steuert. Bestes Beispiel: Sobald die Kick-Drum spielt, wird automatisch die Bassline heruntergeregelt. Das funktioniert aber auch sehr gut mit dem Lead-Synth, Pads, HiHats oder der gesamten Musik, sobald zum Beispiel ein Sprachsignal als Sidechain-Quelle fungiert. Ducking wird das in diesem Fall auch sehr gerne genannt.
Attack und Release sorgen fĂŒr das rhythmische Feeling des Effekts, die Einstellung des Thresholds und der Ratio bestimmen wie stark sich die Dynamik verĂ€ndert. Du kannst so weit gehen, dass du mit dem Sidechain-Trigger regelrechte âLöcher in das Audiomaterialâ frĂ€st. Mit Volume-Shapern wie dem Plugin Kickstart 2 erzielst du diesen Effekt ĂŒbrigens auch ohne Kompressor â geduldige Menschen erledigen das sogar mit Automationen der LautstĂ€rke.
Je krasser der Effekt eingesetzt wird, desto stĂ€rker hörst du das âPumpenâ des bearbeiteten Signals. Als Sidechain-Signal kannst du im Prinzip jeden beliebigen Sound nehmen, der im Mix selbst gar nicht zu hören sein muss. Ein Klick-GerĂ€usch, eine Kick oder einfach mal den Schrei eines Löwen â besonders in der DAW lĂ€sst sich das sehr schnell realisieren. Je nach Trigger-Signal und Einstellung der Parameter, ergeben sich so sehr interessante Effekte oder ein totales Kuddelmuddel. Der vorab in der DAW enthaltene Kompressor verfĂŒgt meistens bereits ĂŒber eine Sidechain-Funktion. Wenn du mehr Infos ĂŒber Sidechain-Kompression lesen willst, hat Bonedo auch dafĂŒr einen passenden Artikel parat.
Wir haben zwei Hardware-Kompressoren ausgesucht, die relativ gĂŒnstig sind, sich fĂŒr Stereo-Signale eignen und ĂŒber Sidechain-EingĂ€nge verfĂŒgen. Dabei handelt es sich um den DBX 266 XS (hier bei Thomann kaufen*) und den ART SCL2 (hier bei Thomann kaufen*).
New York Compression
Diesen Trick kannst du im Prinzip mit jedem Kompressor anstellen, egal ob Hard- oder Software. Plugins machen es dir sogar besonders einfach, denn oft bieten diese einen Regler fĂŒr das VerhĂ€ltnis von eingehendem und FX-Signal an. Diese Methode wird auch gerne Parallel-Kompression genannt.
Die Idee dahinter ist sehr einfach, aber extrem wirkungsvoll. Es geht darum, ein deftig komprimiertes Signal mit dem Original-Sound zu kombinieren und damit quasi die besten Eigenschaften beider Welten zu verbinden. Das kann gerade bei Drums kleine Wunder bewirken, aber auch auf die gesamte Summe fĂŒr die Extraportion Druck sorgen â ohne das Signal dabei zu offensichtlich âkaputt zu machenâ.
Wer es etwas filigraner angehen lassen will (aber darum geht es hier eigentlich ja nicht), benutzt die Rear-Bus-Methode. Dieser Trick geht der ErzĂ€hlung nach auf Andrew Sheps zurĂŒck und basiert auf einer Parallelbearbeitung ausgewĂ€hlter Spuren â die Drums werden dabei meistens nicht parallel komprimiert.
Sehr bequem funktioniert die New York Compression wie gesagt in der DAW. Du kannst auf groĂes Routing verzichten, ĂŒber Phasenprobleme musst du dir ebenfalls nicht zu viele Gedanken machen. Baby Audio hat zwei Plugins am Start, die ihre Ausrichtung auf Parallel-Kompression sogar schon im Namen zum Ausdruck bringen. Das KĂŒrzel IHNY-2 (bei Thomann kaufen*) steht fĂŒr I Heart New York und konzentriert sich auf das Wesentliche, Parallel Aggressor (bei Thomann kaufen*) fĂŒgt eine zusĂ€tzliche âKopieâ mit derber SĂ€ttigung hinzu.
Hart komprimieren
FĂŒr einige Sounds ist es geradezu notwendig, diese âhartâ zu komprimieren. Damit ist gemeint, dass diese durch den Einsatz des Kompressors jegliche Dynamik verlieren. Eventuell musst du dafĂŒr gleich mehrere Instanzen des Effekts in Reihe verwenden. Es kann auch helfen, mit starkem Limiting an das Signal zu gehen.
Bei Musikstilen wie Drum and Bass wurde diese Methode sehr oft auf Bass-Sounds angewendet. Ein jĂŒngeres Beispiel gibt Hans Zimmer mit dem Soundtrack zur aktuellen Verfilmung von Dune.
Um die Sardaukar-GesĂ€nge so unnatĂŒrlich harsch klingen zu lassen, wurden die Vocals zunĂ€chst mit Timestretching bearbeitet und dann so komprimiert, dass jede einzelne Silbe âgefĂ€hrlich und brutalâ klingt. Bei einer Anwendung auf einen kompletten Mix wirkt dieser mitunter plattgedrĂŒckt â manchmal ist das eben genau der Effekt, den du vielleicht haben willst.
Speziell schnelle Attack- und Release-Zeiten sind hier genauso wie eine hohe Ratio der SchlĂŒssel zum Erfolg. Also quasi die Einstellungen, die auch bei der Parallelkompression hĂ€ufig die gewĂŒnschte Wirkung erzielen. Ein kostenloses Plugin, das fĂŒr âharteâ Kompression steht, solltest du unbedingt Rough Rider 3 von Audio Damage ausprobieren. Das Plugin eignet sich ebenfalls sehr gut fĂŒr Parallelkompression, verfĂŒgt ĂŒber einen Sidechain-Eingang und liefert zudem einen sehr speziellen Sound, was uns auch schon zum nĂ€chsten Kapitel fĂŒhrt …
All Buttons in
Bei Sidechaining kommt es nicht unbedingt auf einen charaktervollen Sound des Kompressors an, bei der Parallelkompression oder einem âcrunchyâ Sound kann ein bisschen zusĂ€tzlicher âFlavourâ dagegen durchaus hilfreich sein. Kommen wir deshalb nun zu der Eigenschaft einiger Kompressoren, dem Audiomaterial eine spĂŒrbare FĂ€rbung zu verpassen.
Ein Paradebeispiel stellt der 1176 dar, wahrscheinlich eines der am meisten nachgebauten StudiogerĂ€te ĂŒberhaupt. Speziell der berĂŒchtigte All-Buttons-in-Sound sorgt fĂŒr einen sehr einzigartigen Charakter, der natĂŒrlich auch bei fast allen Nachbauten und Plugins eine groĂe Rolle einnimmt. Aber auch ohne jegliche Kompression wird dem 1176 nachgesagt, Signale nur beim Durchlaufen mehr WĂ€rme und âMojoâ zu verpassen.
Der 1176 funktioniert traditionell in Mono, wenn du also in Stereo arbeiten willst, musst du zwei GerĂ€te miteinander kombinieren oder auf eine Plugin-Emulation zurĂŒckgreifen. Die gĂŒnstigste Variante ist der im Video zu sehende 76-KT von Klark Teknik (bei Thomann kaufen*), fĂŒr aktuell unter 600 Euro gibt es den Lindell Audio LiN76 (bei Thomann kaufen*), Warm Audio WA76 (bei Thomann kaufen*) kostet regulĂ€r etwas ĂŒber 600 Euro â gemessen am Original sind das alles ziemliche SchnĂ€ppchen!
Wesentlich kostengĂŒnstiger geht es mit einem Plugin, da bietet sich geradezu Smasher von Pulsar Audio (bei Thomann kaufen*) an, denn hier ist der All-in-Modus quasi die einzig verfĂŒgbare Voreinstellung. Eine Ăbersicht der gĂ€ngigsten 1176-Emulationen findest du in diesem Kaufberater, da ist auch eine kostenlose Variante dabei!
Es muss nicht immer ein klassischer Kompressor sein
Zum kreativen Komprimieren von Sounds, einzelnen Spuren oder ganzen Mixen eigenet sich auch Gear, das auf dem ersten Blick nicht unbedingt dafĂŒr infrage kommt. So sind die handlichen Beat-Maschinen wie SP-303 oder SP-404MKII (hier bei Thomann vorbestellen*) mit sehr eigentĂŒmlichen Effekten bestĂŒckt, die sogar schon ganze Stile wie LoFi-Beats prĂ€gen. Eingehende Audiosignale lassen sich einschleifen und so können diese Sampler auch als Effekte herhalten.


Auch eine Kassetten-Emulation wie SketchCassette II von Aberrant DSP erzeugt eine gewisse Kompression, die mit den weiteren Einstellungen fĂŒr zusĂ€tzlichen Schmutz sorgt. Wie eingangs gesagt, soll es hier ja nicht primĂ€r um cleane und neutrale Effektbearbeitung gehen.
Wo wir gerade beim Thema Schmutz sind: Der Shure Level-Loc aus den 60er-Jahren wurde eigentlich als Brickwall-Limiter fĂŒr PA-Anlagen konzipiert. Schnell entdeckten Engineers aber de unglaublichen Eigenschaften, die dieser Hardware innewohnen: ultraharte Kompression mit viel âCrushâ und Pumpen, das bei Drums fĂŒr den gewissen Aha-Effekt sorgen, kommen hier quasi von alleine heraus. Gut, dass Soundtoys mit Devil-Loc Deluxe (bei Thomann kaufen*) ein Plugin daraus gemacht hat
Das erinnert so ein bisschen an den Listen-Mic-Compressor aus SSL-Pulten. Phil Collins hat diesen Effekt angeblich bei der Produktion zu âIn The Air Tonightâ im Signalweg des Reverse Talkback Kanals entdeckt. Um den Effekt nutzbar zu machen, musste das Mischpult allerdings erst modifiziert werden. Heute ist der sogenannte LMC auch als Plugin verfĂŒgbar (hier bei Thomann kaufen*) oder steckt in Hardware wie dem zugegebenermaĂen recht kostspieligen SSL Fusion (bei Thomann kaufen*) als verstecktes Extra drin.
Weitere Infos ĂŒber Kompression
Videos
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Eine Antwort zu “Workshop: So benutzt du den Kompressor als kreativen Effekt”
Richtig guter Artikel :-) Ich weiĂ noch, als ich im Jahr 1998 angefangen habe, Musik aufzunehmen und mich gefragt habe, warum das alles so kraftlos klingt. Und dann habe ich den Kompressor entdeckt!!! Was fĂŒr ein Erlebnis!