von Moogulator | Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten
Drummachine Feature

Drummachine Feature  ·  Quelle: Moogulator

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„Jeder Drummachine sollte man gewerkschaftlich einen ausgebildeten Drummer zur Seite stellen“. Solche Aussagen gab es tatsächlich in der Studioszene in England, Anfang der Achtziger. Drummachines galten als seelenlose Roboter.

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Ohne Humor kann man diese Phase nicht werten. Dennoch gab es lange eine Art Kulturstreit um Drummachines in der Musik, die bis in die mittleren Achtziger reichte. Bei Metal-Bands und Rock waren elektronische Geräte verpönt, obwohl man im Studio massenhaft Bodeneffekte, Delays und Octave Shifter verwendete. Man sprach von „ehrlicher Musik“, vielleicht noch lieber über „handgemachte“ Musik. So zapften wir Synthpop– und Industrial-Leute dann genau am gegenteiligen Hahn unsere Musik.

Es gibt dazu eine nette Schmonzette (bei der es auch nicht sicher ist, ob sie wahr ist, siehe letzten Hinweis „I made this story up“) mit Depeche Mode und dem kürzlich verstorbenen Ozzy Osbourne. Die lautet folgendermaßen…

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Ich hätte damals noch gedacht, dass es andere Hintergründe gäbe. Vieles besteht in diesem Bereich aus urbanen Mythen, so wie es vor einiger Zeit eine Petition gegen AutoTune gab. Dazu gibt es sogar Videos. Sicher wird es ebenso bei KI-Generatoren ähnliche Aktionen geben. Außerdem gibt es immer wieder wilde Vermischungen von Vocodern, Harmonizern und AutoTune bis hin zu simplen Waschküchenechos bis heute. Diese Liste wäre endlos, wenn wir nicht über etwas anderes reden wollten.

The Early Drummachine Days

Viele Industrial-Acts, die meist in den späten Siebzigern starteten, hatten erste Projekte mit Tapes und genau einem Synthesizer. Man konnte sich keine teuren Maschinen leisten. So kauften einige gerade diese PresetMaschinen. Das galt ebenfalls für den frühen Synthpop, die andere und „lebensbejahendere“ Ziele hatten.

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Auch etwas später war es dann keine CR-78 oder TR-808, die beide für damalige Zeiten nicht sehr erschwinglich waren. Noch weniger war es für viele die Linndrum, die bei dem neuen Sound mit Phil Oakey und „the Girls“ bei Human League zum Inventar von Produzent Martin Rushent gehörte. Die Anfänge waren eher Maestro und Roland-Vorgänger Ace Tone Geräte.

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Spätestens jetzt gab es Teams wie Stock-Aitken-Waterman, die „einen Hit nach dem anderen“ herstellten, eben wie „am Fließband„. Die großen Studios und Produzenten hatten selbstverständlich Drummachines. Andere Musiker tendierten zum Sampling in Form der MPC-60 oder der Emu SP-12. Im Hiphop und Rap war noch die Kraftwerk-Phase aktiv oder ebenso „Breakdance„. Die Szene war ohnehin Vinyl- und Sampling-affin und hat damit diese Maschinen essentiell eingesetzt. Es gab kaum ein nennenswerter Act, der ohne Drummachine blieb.

Von Prince und seiner Linndrum kennen viele das berühmte Copyright seiner privaten Snare. Das Urheberrecht ist in jedem Land etwas anders, weshalb in den USA eher ein Klang registriert und geschützt werden konnte, während man in Deutschland primär auf Partituren und Notensätze vertraute. Deshalb sind die Gesetze auch ein Element in der Diskussion um Originalität.

Ist Africa Bambaataas Antwort auf Kraftwerks Trans Europa Express „Planet Rock“ eine Kopie oder ein Sound-alike und generell legitim? In diesem Fall hat man offenbar gefragt und ein „ja“ bekommen, somit war es rechtlich nicht mehr problematisch. In der Werbung hingegen gibt es jede Menge Sound-alikes, zuletzt von Depeche Modes „Just Can’t Get Enough“.

Dort wurde alles mit einer TR-808 und einem Prophet-5 nachgespielt. Der berühmteste Fall um Sampling dürfte die Klage zu Kraftwerks „Metall auf Metall“ in Moses Pelhams Sabrina-Setlur Hit sein. Die wurde bisher bis zum EuGH hochgeklagt. Sampling ist aber nicht dasselbe wie eine Drummachine. Dennoch hätte Pelham Metall auf Metall mit den zwei relevanten Schlägen im besagten Stück nachbauen können. Metallschläge sind im Industrial und EBM extrem willkommen. Reduzierte Klänge in den späteren elektronischen Stilen jenseits der 2000er Jahre umso mehr. Gerne ohne Sampling.

Entwicklung Analog -> Digital

Drummachines waren zunächst Aufsätze für Orgeln, sie galten als etwas stupide und waren für Samba, Latin-Rhythmen und für den modernen Hausmusiker gemacht. Die Industrial Acts haben genau diese Maschinen (Ace Tone und Rhythm King aber auch Korg Minipops) verwendet und verzerrt, damit sie „etwas“ haben. So hört man das bei Cabaret Voltaire genauso wie bei vielen anderen früheren Acts dieser Zeit. Das klang dann so:

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Was die Cabs daraus gemacht haben klang so:

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Auch Jarre hat die Korg Minipops mehrfach eingesetzt. Das war also nicht nur eine Frage des Urkerns oder des Post-Punks.

Übrigens haben auch Kraftwerk solche Ur-Maschinen umgebaut und durch Wolfgang Flür per Hand gespielt. Das änderte sich technisch zwar, aber die Ästhetik dieser Drumsounds blieb lange erhalten. Heute ist diese Ästhetik in Form von Ericas Perkons und Co. wieder da. Diese sind heute wieder sehr zahlreich und auch Elektrons Wiederbelebung der Machinedrum, der Syntakt zeugt von der Renaissance dieser reinsynthetischen Drum-Klänge.

Elektronische Sounds und Drums gab es gerade vor Sampling immer mehr. Besonders berühmt war Simmons, Pearl und Coron mit einer Reihe von per Pad spielbaren elektronischen und analogen einfachen Drum Synths. Durch die Triggerausgänge ließen sich diese Sounds aber auch von einer Drummachine steuern. Alle Namen sind eher symbolisch, da es weit mehr Anwärter, Kleinhersteller und Drumbrains gab, auch zunehmend mit Sampling auf EPROMs.

Ab den Achtzigern stieg das Verlangen nach „realistischen“ Drums und die Drum Brains und Drummachines bekamen zumindest für Hihats und Cymbals Samples in EPROMs eingebaut. Einige davon sind sehr bekannt wie die Roland TR-909 (damals eher unbeliebt), andere eher exotisch wie die Cactus Desert Drums.

Cactus Desert Drums synthesizer

Jetzt brach eine andere Zeit an. Die Bands waren nun gern rein-elektronisch und viele kauften sich Drummachines und Synthesizer. Die Mitte der Achtziger brachte eine Menge neuer Stile mit sich, die von Synthpop bis EBM über Acid bis New Beat gingen. Nur, um ein paar typische progressivere Stile der Zeit zu nennen. Die Hersteller boten nun vollständige Sample Drummachines an. Auch Günstigere, wie die gut 500,- DM „günstige“ Roland TR-505. Nun waren sie also in Teilen erschwinglich.

Diese Maschinen hatten nun MIDI. Man konnte damit Synthesizer oder reine Expander und andere Klangerzeuger anspielen. Front 242 und der Stil des EBM hat sehr oft auf 1-2 Noten reduzierte „Melodie-Sounds“ gesetzt und damit den berühmten Sound und Stil geprägt. Ähnlich war das auch in anderen Stilen, aber in keiner war es so klar eine technische Möglichkeit, die dies beschleunigte und um Sampler erweiterte. Auch digitale Synthesizer kamen nun hinzu. Klanglich war das ein deutlich weiterer Schritt in der Evolution.

Hier hören wir eine Emu Drumulator und die oben genannte Idee mit einem DX-7 und damit brandneuen Instrumenten: Achte auf den Break!

Das No-Comment-Album eignet sich faktisch durchgehend als Demo für die geschilderte Minimal-Trigger-Idee.

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Nun wollten auch Drummer mit Sampling arbeiten. Faktisch alle Bands haben eine große Phase der Umstellung gemacht und klangen deshalb auf ihren Alben erst analog und später digital bzw. gesamplet. Bands wie Freur formierten sich um zu Underworld. Portion Control hingegen haben schon sehr früh Drummachines eingesetzt. Ich erinnere mich, dass frühere Werke andere dazu brachten, zu fragen, ob das afrikanisch sei.

Es ging alles sehr schnell. Heaven 17 sangen damals „wie live so fast“. Human League begannen übrigens ohne Drummachine, die Klänge stammten ausschließlich aus Synthesizern auf ihrem „Reproduction“ Album.

Um auf Prince’s Drumsound der Achtziger zurückzukommen. Bei ihm waren es Pitch-Shifting und etwas Studiotechnik. Heute führen das Amateure gern vor, wie es dazu kam und kommt…

Die meisten Sampling Drummachines hatten nicht sofort Tonhöhen-Einstellungen (TR-505, TR-707 – 1985), die Linndrum hingegen schon (1981). Sampling-Maschinen hatten ab den späten Achtzigern faktisch immer so eine Option. Es gibt eindrucksvolle Pitched-Drum-Sounds, die belegen, dass das allein bereits eine gute Quelle für neuen Sound war. Hier Prince und Autechre als Demo.

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Es gibt noch viel mehr über Drummachines, die Neuzeit ab den Neunzigern und noch mehr Namen zu sagen. Dafür reicht der Platz nicht. Es gab zudem noch viel mehr Musiker, Stile und Elemente, die hier aus Platzgründen nicht erwähnt wurden, jedoch einen Platz verdient hätten. Deshalb ist hier bei Interesse Platz für einen zweiten oder dritten Teil.

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4 Antworten zu “Die Drummachine im Wandel der Zeit”

    Andy sagt:
    1

    Sehr schöner Überblick über die Anfänge der Drummachines. Das schreit doch förmlich nach einem zweiten Teil (ins Hier und Jetzt).

    Edgar Marton sagt:
    1

    Sehr schöner Artikel. Unbedingt mehr schreiben.

    David sagt:
    1

    Die Geschichte über Ozzy ist süß aber wohl Fake. Eine Bildersuche nach Ozzy und toilet zeigt fast das gleiche Bild, nur hat Ozzy dort eine Zigarette und einen Drink in den Händen…
    Ansonsten ist der Artikel super, gerne noch viele weitere Teile!

      Moogulator sagt:
      0

      Ich habe zugegeben 0 Ahnung zum Thema Ozzy – und kenne dieses berühmte Video mit ihm und dem ARP 2600. Ich hätte es ernsthaft etwas anders ankündigen müssen. Aber ich fand die Geschichte eben auch witzig und passend und schöner als einen Ozzy-Nachruf, den ich ohnehin nie kompetent schreiben könnte, ich bin mehr Synthesizer-Typ. Über Depeche Mode hingegen könnte ich das schon eher ;) Schmonzette fand ist aber deutlich genug ;) Also:

      Danke für die generell sehr nette Reaktion.

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