Der ultimative NAM-Guide: So geht Open-Source-Amp-Modeling!
Alles ĂŒber das das kostenlose Gitarren-Plugin und NAM-Pedale!
Seit einigen Jahren rumort und raunt es in der Modeler-Szene: Neural Amp Modeling lehrt Kemper, Neural DSP und IK Multimedia das FĂŒrchten. Denn nicht nur ist die Software-Lösung komplett Open Source und kostenlos. Auch ĂŒbertrifft sie qualitativ hĂ€ufig die teuren Plugins der Konkurrenz. Auch wĂ€chst die Zahl der Hardware mit NAM-UnterstĂŒtzung. Worum es geht, welche Software und Pedale NAM unterstĂŒtzen und wie ihr selbst NAM-Profile erstellt, lest ihr in diesem Guide.
Alles ĂŒber Neural Amp Modeling
Was ist NAM?
NAM steht fĂŒr Neural Amp Modeling. GrundsĂ€tzlich haben wir hier einfach ein weiteres Format zur digitalen Emulation von Amps, ganz vereinfacht gesagt. Sprich, zum einen könnt ihr so Amp-Sounds spielen, von alten Marshall- oder Fender-VerstĂ€rkern zum Beispiel, die man sich zu Hause nie leisten könnte. Zum anderen ist man mobiler, muss mit den NAM-Tools seine Amps nicht mitschleppen.
Tendenziell scheint es bei NAM, anders als im Namen angedeutet, eher um Amp Profiling als um Amp Modeling oder Amp Capturing zu gehen. Hier wird ein akustischer Abdruck einer einzelnen Amp- oder Pedal-Einstellung genommen, weniger die einzelnen Komponenten eines VerstĂ€rkers virtuell nachgebildet. Genau das macht NAM aber so gut, dass hĂ€ufig selbst geĂŒbte Ohren im Direktvergleich NAM gegenĂŒber ToneX, Kemper oder Quad Core vorziehen.
Dazu sind das Format und auch die Software Open Source, also kostenlos und, wer die entsprechenden Kenntnisse und Motivation mitbringt, kann direkt auch zum Mitentwickeln. Neben dem offiziellen NAM-Plugin als VST-Lösung fĂŒr DAWs gibt es eine wachsende Zahl an Hardware-Lösungen mit NAM-UnterstĂŒtzung.
Wie NAM entstand
Die komplette, detaillierte Geschichte von NAM könnt ihr auf der offiziellen Website nachlesen. Steven Atkinson entwickelte das Format bereits 2019 und lud es auf der Programmierplattform Github hoch. Als leidenschaftlicher Musiker einerseits und KI-Forscher andererseits verband Steven so den Fokus seiner Arbeit auf Machine Learning mit seinem Hobby.
Was anfangs eher als Spielerei und abendlicher Zeitvertreib gedacht war, wurde schnell mehr. Denn die Resultate sprachen fĂŒr sich. GitarrenverstĂ€rker durch neuronale Netze nachbilden zu lassen, klang derart realistisch, dass Atkinson mehr als angetan war. Dann aber lag das Projekt drei Jahre brach.
Steven lieĂen Idee und vor allem die klanglichen Resultate aber nicht los. Und so entwickelte er Anfang 2022 eine erste Plugin-Version von NAM. So wurde die Technologie zugĂ€nglicher. Dann begann er Vergleichstests zu machen und diese als Videos zu veröffentlichen. Kemper, Quad Core, ToneX klangen im Direktvergleich zu Neural Amp Modeling immer nicht ganz so realistisch. Was eine Revolution!
2023 – Verbreitung ĂŒber Social Media
Atkinson trieb die Entwicklung weiter und integrierte mit den Parametric Models ein Feature in NAM, das es auf einen Schlag vielseitiger macht. Denn so lassen Amps nicht nur in einer Einstellung akustisch abfotografieren, sondern gleich ĂŒber die volle Bandbreite aller ihrer Regler und Einstellungen.
Weitere Verbesserungen der Technologie folgten 2023, vor allem aber wurde das Plugin ĂŒberarbeitet, samt EQ und IR-Loader. Und Steven verbesserte den Workflow zum Erstellen eigener Amp-Profile. WĂ€hrenddessen wuchs die PopularitĂ€t des Open-Source-Modelings dramatisch. Wo es anfangs in der offiziellen Facebook-Gruppe einige Hundert Mitglieder gab, waren es Ende 2023 bereits ĂŒber 15 000! Heute sind wir bei (Stand 12. August 2025) fast 23 000.
Auch wuchs die Zahl der YouTuber in der Gitarrenwelt, die ĂŒber NAM sprachen, teilweise auch Steven zum Interview einluden. NAM ging viral. Auch zeigten sich die ersten Hardware-Lösungen mit NAM-UnterstĂŒtzung. Und die Zahl der von der Community erzeugten Profile (siehe unten) wuchs rasant.
Software und Amp-Profile
Wer den Einstieg in die Welt von NAM sucht, kann das software-seitig komplett kostenlos tun. Auf der Website von Neural Amp Modeling gibt es das Plugin (AU und VST3) zum Download. Das installiert ihr und ladet es als Audio-Effekt in eurer DAW.

Dann geht es zu Tone3000 (frĂŒher ToneHunt), dem gröĂten Hub fĂŒr NAM-Profile. Ăber 4000 NAM-Profile gibt es hier, von Fender Reverb ĂŒber Marshall JCM800 bis Vox AC15 oder Roland JC 120B. Auch einzelne Distortion-Pedale wurden per NAM nachgebildet, wie die ProCo Rat oder der Boss Blues Driver.
Und auch Impulsantworten fĂŒr Cabs gibt es hier zum kostenlosen Download. Also wĂ€hlt man je einen Amp und ein Cab aus und lĂ€dt diese dann im Plugin. Gitarre ins Interface (Hi-Z-Eingang) und abrocken bis zum Morgengrauen!
Eigene NAM-Modelle erzeugen
Ob man an der Community teilhaben oder einfach nur sein teures Gear nicht aus dem Proberaum nach Hause schleppen möchte, eigene NAM-Profile lassen sich relativ einfach erzeugen. Ganz so zugÀnglich wie bei ToneX oder Kemper ist der Workflow nicht, aber mit etwas Geduld bekommen das auch technologieferne Amp-Fans hin. GrundsÀtzlich gibt es zwei (-einhalb) Wege zum eigenen Profil.
Der simpelste Weg geht ĂŒber Tone3000. Dort geht man oben rechts auf „Create Tone“ und dann auf „Capture“. Hier lĂ€dt man eine Wav-Datei eines Sinus-Sweep herunter. Dann heiĂt es Amp mikrofonieren, alles verkabeln (also Ausgang vom Interface in Eingang von Amp, dann Mikrofon vor den Amp, dann Mikrofonkabel in den Eingang des Interfaces) und schlieĂlich Setup in der DAW.
- In der DAW ladet ihr den Sinus-Sweep auf eine Spur.
- Dann mĂŒsst ihr das Routing so einstellen, dass das Audiosignal des Sinus-Sweep direkt an den Amp ausgespielt wird.
- Jetzt erzeugt ihr eine zweite Audiospur, zu der ihr das Mikrofonsignal routet.
- ACHTUNG: Achtet auf die LautstĂ€rke eurer Monitorboxen oder deaktiviert am besten die Audioausgabe am Stereo-Master fĂŒr den Modeling-Vorgang, sonst kommt es zu Feedback!
- Startet die Aufnahme in der DAW.
- Exportiert die Spur mit der Aufnahme des Mikrofonsignals (am besten mono, 24 Bit, 48 kHz). Achtet darauf, dass die neue Audiodatei die exakt gleiche LĂ€nge, wie der Sinus-Sweep hat.
Jetzt ladet ihr diese Audiodatei bei Tone3000 im Capture-Bereich hoch. Alternativ zum Sinus-Sweep könnt ihr auch ein Dry/Wet-Paar hochladen. Sprich, ihr splittet das Signal eurer Gitarre ĂŒber eine DI-Box und nehmt gleichzeitig vor und nach dem Amp in der DAW auf. Dann ladet ihr dort das Amp-Profil hoch.
Amp Modeling auch ohne Tone3000
Möglichkeit zwei geht direkt ĂŒber die Website von Neural Amp Modeling. Ich habe hier das Video zur genauen Anleitung eingebunden, der Vorgang ist relativ nachvollziehbar. Ihr benötigt Ă€hnlich wie bei Tone3000 ein trockenes und ein „nasses“ Signal, also Wav-Dateien mit Aufnahmen der Gitarre vor und nach dem Amp. Ihr benötigt also auch hier eine DI-Box und ein Interface mit zwei EingĂ€ngen.
Der eigentliche Modeling-Vorgang lĂ€uft dann ĂŒber ein Google-Collab-Notebook ab. Was kryptisch klingt, ist an sich nur eine Lösung, um komplexe neuronale Netze und ProgrammiervorgĂ€nge mit wenigen Klicks auf den mĂ€chtigen Servern von der Google Cloud ablaufen zu lassen. Soweit ich das verstehe, ist das zumindest kein Vorgang, wo eure Daten, also Aufnahmen eurer Amps, von Google weiter genutzt werden. Aus eigenen Versuchen weiĂ ich aber, dass ein Account bei Google fĂŒr die kostenlose Nutzung von Google Collab Pflicht ist.
Zu guter Letzt gibt es dazu auch noch die Möglichkeit, den Prozess komplett offline ĂŒber die Open-Source-Programmierumgebung Anaconda durchzufĂŒhren.
Hardware fĂŒr NAM
Neural Amp Modeling ist nicht nur wegen der herausragenden Modeling-QualitÀt so beliebt oder weil es kostenlos als Software ist. Auch wÀchst die Zahl der Gitarren-Hardware, auf der sich NAM-Profile laden lassen. Allen voran wÀre da der NAM Player der deutschen Firma Dimehead zu nennen, mit das erste NAM-Pedal auf dem Markt.

Dann hat Darkglass kĂŒrzlich mit dem Anagram einen Bass-Multi-Effekt vorgestellt, der NAM-Profile laden kann. Dazu beherrscht auch der winzige Valeton GP-5 das Laden von NAM-Profilen, allerdings mit qualitativen Abstrichen, da die CPU des kompakten ToneX-One-Konkurrenten nicht die volle NAM-Auflösung schafft. Auch gab es kĂŒrzlich ein Firmware-Update fĂŒr den GP-200, der diesen ebenfalls NAM-tauglich machte.
Bei Hotone sind ebenfalls durch ein Firmware-Update die Modelle Ampero II, Ampero II Stage und Ampero Stomp II NAM-fÀhig geworden. Wie bei den Pedalen von Valeton werden NAM-Profile hier aber wÀhrend des Import-Prozess quasi herunterskaliert, damit die CPUs der Multieffekt sie verarbeiten können. Es kann also qualitative Abstriche geben.
Die Zukunft von Neural Amp Modeling
Man muss sich das mal vorstellen. 2022 erst hat Neural Amp Modeling so richtig die Welt erblickt. Vor drei Jahren. Und jetzt sind wir schon bei Pedalen, riesigen Communitys und einer wachsenden Zahl von Konvertiten von Kemper, QuadCore und ToneX.
Es ist stark davon auszugehen, dass nicht nur der Capture-Prozess in den nĂ€chsten Jahren weiter vereinfacht wird. Auch wage ich vorherzusagen, dass NAM dem Profiling/Capture/Modeling-Wirrwarr, bei dem jeder Hersteller sein eigenes Amp-SĂŒppchen kocht, mehr oder weniger ein Ende setzen wird.
Weder ToneX noch Quard Core noch Kemper noch Helix werden drumherum kommen, NAM mindestens optional zu integrieren. Auch bietet Tone3000 seit einiger Zeit eine API an, mit der Profile von dort direkt in eine Gitarren-Software/App geladen und auf ein Pedal geladen werden können.
Und jetzt seid ihr gefragt! Was sind eure Erfahrungen mit NAM? Klingt es in euren Ohren besser oder schlechter als andere Modeling-Formate? Schreibt es uns in die Kommentare!
Infos ĂŒber Neural Amp Modeling
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